Kunstaktion:Ruhe, bitte

Parasympathicus RischArt Ina Weber

"Offen lassen" nennt Ina Weber ihre Installation. Ganz offen gehen vor allem die Kinder bereits mit diesem Mini-Freibad mitten auf der Wiese um.

(Foto: Markus Amon)

Sechs Künstler aus München und Berlin überraschen auf der Wiese vor der Alten Pinakothek beim 14. RischArt-Projekt mit ihren Installationen

Von Jürgen Moises

Ein paar Kinder haben schon damit gespielt, die Hobbyfußballer auf der Wiese benutzten es teilweise als Umkleide, und einer von ihnen hat angeblich auch schon seine Haare im Wasserbecken gewaschen. Einen Joint hat die Kuratorin Katharina Keller ebenfalls daneben liegen sehen, was zeigt: Ina Webers Mini-Freibad, das neben dem Becken aus einem Fliesenboden, einer Kachelwand und drei Monobloc-Gartenstühlen besteht, wird von den Passanten angenommen. Und das, obwohl die Stühle winzig klein und aus schwerer Bronze sind und das Becken gerade mal so groß ist, dass allenfalls die Füße hineinpassen. "Offen lassen" nennt Weber ihre Kunstinstallation, die sich seit Mittwoch und noch bis zum 16. Juli auf der Südwiese neben der Alten Pinakothek befindet.

Dass man ihre Kunst benutzen kann, das ist der Berliner Künstlerin Ina Weber wichtig, die auch schon Minigolf-Parcours entwickelt hat. Ihre Installation "Offen lassen" hat sie für das 14. RischArt-Projekt geschaffen, das sich in diesem Jahr unter dem Titel "Parasympathikus" mit dem Thema urbane Ruhe und Unruhe beschäftigt. Insgesamt sechs Künstler aus München und Berlin hat Katharina Keller, die die von Gerhard und Magnus Müller-Rischart initiierten RischArt-Ausstellungsprojekte seit 1983 betreut, dazu eingeladen. Der Titel "Parasympathikus" spielt dabei auf den gleichnamigen Nerv an, der als "Ruhenerv" der Erholung und dem Aufbau körpereigener Reserven dient. Der Sympathikus ist als sein Gegenspieler für die Leistungssteigerung zuständig.

Was nun den künstlerischen Umgang mit den beiden Kontrahenten angeht, scheinen die meisten mit dem Parasympathikus zu sympathisieren. Und so lässt sich nicht nur Ina Webers Installation als ein Ort und Symbol der Ruhe und als Kontrapunkt zum hektischen Großstadtleben interpretieren, sondern etwa auch die "Para-Pagode" der Münchnerin Alexandra Hendrikoff. Diese besteht aus Fallschirmseide, Gaze und getrockneten Pflanzen und ist mit ihrer baldachinartigen Struktur an buddhistische Tempel angelehnt. Wer auf dem zentralen Sitz- oder Liegekissen der "Para-Pagode" seinen Blick nach oben richtet, sieht dort ein Ornament aus Zellen und damit, so die Künstlerin, "Grundstrukturen des Lebens".

Mit dem blauen Tempelchen des Berliners Vincent Tavenne stößt man auf das nächste Miniaturmodell. Der steht als kleiner Monopteros mit seinem großen Bruder im Englischen Garten in Beziehung und zudem mit der Alten Pinakothek als "Kunsttempel". Nur hat Tavennes Tempel keine wirkliche Funktion. Auch Martin Wöhrls dreiteiliges "Fenster zur Entspannung" erscheint weitgehend funktionslos. Um in einer der drei Stahlskulpturen wie der Künstler ein entspannendes Himmelbett zu sehen, dazu braucht es auf jeden Fall viel Fantasie.

Wolfgang Ellenrieder bietet dagegen immerhin "ein Dach über dem Kopf". Nur verfügt sein gleichnamiges Stelzenhaus, ein Mischmasch aus Baumarkt-Materialien, über keine Tür. Dafür finden sich in seinem Boden fünf Öffnungen. Und wer sich in diese hineinquetscht, der taucht ein in eine andere Welt. Das heißt: In fünf kleine, bemalte, gezimmerte Kammern, mit denen Ellenrieder sowohl auf spätbarocke als auch virtuelle Illusionsräume anspielt. Die sind zwar nicht so beeindruckend wie ein barocker Kirchenraum, ein sympathisches Spiel mit Innen und Außen sind sie allemal.

Bleibt als letzte Künstlerin und einzige Unruhestifterin Beate Engl. Sie hat unter dem Titel "Kolporteur" eine Art Leierkasten geschaffen, der in Form von analog gestanzten Texten und Musik sechs Nachrichtenschlagzeilen pro Tag überträgt. Mit diesem wird die Künstlerin oder ein Vertreter täglich unterwegs sein und dafür sorgen, dass es den Passanten auf der eh schon ruhigen Wiese nicht allzu behaglich wird.

RischArt-Projekt: Parasympathikus; Kunstareal München, Südwiese der Alten Pinakothek; bis 16. Juli

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