Kunst:Versuchs-Anstalt für Talente

Kunst: Hugo von Habermann (1849 bis 1929), der zweite Präsident der Secession, malte dieses "Damenbildnis".

Hugo von Habermann (1849 bis 1929), der zweite Präsident der Secession, malte dieses "Damenbildnis".

(Foto: Verein Bildender Künstler Münchens - Münchener Secession)

Aus Verdruss über die Münchner Künstlergenossenschaft haben Maler und Bildhauer 1892 die "Secession" gegründet. Drei Ausstellungen erinnern jetzt daran

Von Sabine Reithmaier

Secession bedeutet Trennung, Absonderung. Genau dies war die Absicht der 96 jungen Maler und Bildhauer, die 1892 der Münchner Künstlergenossenschaft den Rücken kehrten und ihren eigenen Verein gründeten. Im März hatte Ludwig Dill in einem flammenden Aufruf appelliert, sich nicht länger von "malenden Juristen und Parlamentariern" bevormunden zu lassen und sich von der Gemeinschaft zu trennen, "wo wir für unsere Ideen weder Verständnis noch Entgegenkommen" fanden. Für Verdruss hatte auch die provinzielle Deutschtümelei in den Münchner Ausstellungen gesorgt.

Wenige Wochen später, am 4. April 1892, fand die Gründungsversammlung der "Secession", des "Vereins bildender Künstler Münchens" statt. Die neue Vereinigung wollte dem einzelnen Künstler möglichst viel Freiraum gewähren, verstand sich als "Versuchsanstalt der Talente". Die ersten vier Jahresausstellungen im eigenen Pavillon an der Prinzregentenstraße galten als sensationell. Mehrere Ausstellungen - eine eröffnet erst diesen Samstag - erinnern an die große Tradition und berühmte Namen; zwei der Ausstellungen konzentrieren sich ganz auf aktuelle Positionen.

Weil mehr als ein Drittel der Künstler, die sich 1892 für den Eintritt in die Secession entschieden, auch immer wieder in der Künstlerkolonie Dachau auftauchten, ist es nur logisch, in der Dachauer Gemäldegalerie Werke aus der hochkarätigen Sammlung der Vereinigung zu zeigen. Auch wenn in den frühen Jahren die meisten Mitglieder der Gruppe überwiegend naturalistisch arbeiteten, lehnten sie eine stilistische Festlegung entschieden ab. Das spiegelt sich auch in der Vielfalt der Ausstellung wieder. Adolf Hölzel und Ludwig Dill sind mit Landschaften vertreten, Ernst Burmeister mit einem sommerlichen Selbstporträt (1909). Hugo von Habermann bezaubert mit einem Damenbildnis. Eine Entdeckung sind die Eisstockschützen, die Hans von Hayek malte, oder die nur schemenhaft angedeutete Szenerie einer Hexenverbrennung von Albert von Keller. Natürlich gibt es auch hinreißende Interieurs, die nicht nur die bürgerliche und höfische Welt spiegeln, sondern auch einfache Arbeiterstuben.

Heute gehören der Sezession 75 Mitglieder an. Sechs von ihnen finden sich in der Neuen Galerie Dachau, thematisch verklammert durch das Begriffspaar Natur / Kultur. Konrad Loder verknüpft Sperrholzstäbchen zu sich seltsam windenden Skulpturen. Den schrundigen Bergen Andreas Legaths stehen die aus reduzierten Farbflächen geschaffenen, menschenleeren Landschaften Christoph Drexlers und die flirrenden Wüsten Hartmut Pfeuffers gegenüber. In trügerischer Harmonie schwelgt die Natur in der Installation Dorothea Reese-Heims. Aber ihre hängenden Gärten existieren nur mehr in der vollendeten Künstlichkeit eines Videos. Timm Ulrich hat die Negativform seines Gesichts in 16 Hackklötze gefräst. Es ist eben der Mensch, der der Natur Gewalt antut.

Zu Gast in Dachau. 125 Jahre Münchener Secession; bis 3. September, Gemäldegalerie Dachau Natur // Kultur. Positionen der Münchener Secession; bis 16. Juli, Neue Galerie Dachau Secession jetzt; 1. Juli - 10. September, Rathausgalerie München

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