Kunst:Unter Brüdern

Lesezeit: 2 min

Malte Wandels Videoinstallation über die Kinder der "Madgermans"

Von Evelyn Vogel, München

Sie waren gekommen, weil der sozialistische Bruderstaat sie rief, sie sich in der Fremde Arbeit, Einkommen und ein besseres Leben versprachen - und eine Zukunft für sich und ihre Familien in der vom Bürgerkrieg zerrütteten Heimat. Sie mussten gehen, weil der sozialistische Bruderstaat mit dem Fall der Mauer nicht mehr existierte, ihr Heimatland sich vom sozialistischen Experiment lossagte und sie von einem Tag auf den anderen ohne Arbeitsvertrag, ohne Sicherheit - und meist auch ohne Geld dastanden.

Etwa 16 000 Vertragsarbeiter aus dem südostafrikanischen Mosambik lebten zwischen 1979 und 1989 in der DDR. Sie führten ein - verglichen mit den Lebensbedingungen in ihrer Heimat - gutes Leben. Auch wenn zeitweilig bis zu 60 Prozent ihres Einkommens einbehalten und direkt nach Mosambik transferiert wurde. Aber sie dachten ja, das alles sei für ihre Familien, eine Investition in die Zukunft.

Was sie nicht wussten: Sie schufteten nicht für ihre Zukunft und die ihrer Familien, sondern damit ihr Land seine Schulden begleichen konnte. Bei ihrer Rückkehr nahm man ihnen alle Dokumente ab, mit deren Hilfe sie irgendwelche Ansprüche hätten stellen und begründen können. Seit einem Viertel Jahrhundert kämpfen die ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik für ihr Recht. Und Gerechtigkeit. Erhört im Behördendschungel hat sie bisher niemand. Gesehen, gehört und gefilmt hat sie der Münchner Fotograf Malte Wandel.

2009 stieß er während eines Urlaubs in Mosambik auf die "Madgermans", wie sie sich selbst nennen, und was so viel bedeutet wie "die aus Deutschland kommen". Vor drei Jahren legte Wandel eine große Arbeit zu dem Thema vor. Fotografien der Rückkehrer, die in oft ärmlichen Verhältnissen in Mosambik leben - und mit Hilfe von Hammer und Sichel auf Schwarz-Rot-Gold die Erinnerung an ihr besseres Leben von einst wachhalten.

In seinem neuen Projekt folgt Wandel den Spuren der Kinder der "Madgermans". Kinder aus deutsch-mosambikanischen Familien in Leipzig, Halle und Jena, die ihre Väter nie kennengelernt haben oder nur noch schwache Kindheitserinnerungen an sie haben, weil diese bald nach ihrer Geburt Deutschland verlassen mussten. Neben großformatigen Familienporträts und Landschaftsaufnahmen aus Ostdeutschland hat Malte Wandel auch eine 3-Kanal-Videoinstallation geschaffen, in der er das Hier und Dort, das Gestern und Heute, das Private und das Allgemeine zusammenführt. Mit Hilfe von eigenem wie fremdem Filmmaterial, Porträtaufnahmen aus DDR-Fotostudios, Schnappschüssen aus Wohnheimen, Briefen, privaten Reisefotos und Videos aus Mosambik, Dokumenten und Familienalben schafft es Malte Wandel, auf unaufgeregte, aber eindringliche Weise diesen mittlerweile jungen Erwachsenen, die zwischen zwei Welten leben, ein Gesicht zu geben.

Malte Wandel: Die Kinder der Madgermanes, Galerie Nicole Gnesa, Kolosseumstr. 6, Innenhof, bis Ende August nach Vereinbarung, 0172 / 59 43 484 oder Mail: kontakt@nicolegnesa.de

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: