Kunst und Recht:Recht auf Abbildung

Die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen streiten mit Wikipedia um das Copyright an der Fotografie von einem alten Gemälde.

Von Eva Herzog

Im Jahr 1862 schuf der Maler Cäsar Willich ein Porträt von Richard Wagner. Das Werk wäre bis heute eher unbekanntes Museumsinventar, wenn es nicht unverhofft ins Zentrum eines Streits gerückt wäre. Die Frage ist: Darf eine Fotografie des Werkes, die Museumsmitarbeiter angefertigt haben, auf dem Online-Lexikon Wikipedia erscheinen - ohne, dass die Wikipedianer dafür Geld an das Museum überweisen müssen? Ja, sagen die Netzautoren. Ganz anders sehen das die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, wo das Porträt hängt.

Noch ist die Fotografie auf Wikipedia zu sehen. Jeder kann sie posten, twittern oder anderweitig verbreiten, denn die Netzautoren sehen das Werk als "gemeinfrei" an.

Doch womöglich ist die Rechtslage komplizierter. Unbestrittenermaßen ist das Urheberrecht des eigentlichen Gemäldes erloschen, weil der Maler seit mehr als 70 Jahren tot ist. Frei nutzbar ist damit aber nur das Gemälde selbst, so wie es in Farbe auf Leinwand im Museum hängt. Doch ins Internet gelangt es als Fotografie, die möglichst originalgetreu sein soll, aber eben doch eine Aufnahme des Bildes ist. Und gilt für diese Aufnahme ein eigenes Urheberrecht? Die Frage betrifft zahlreiche Abbildungen nicht nur auf Wikipedia, sondern etwa auch in der Wissenschaft. Setzt sich diese Rechtsauffassung durch, dürfte es für viele Nutzer teuer werden - und auf Wikipedia künftig weniger bunt zugehen.

Theoretisch könnte jeder im Museum rechtefrei fotografieren. Doch dagegen steht das Hausrecht

Grundsätzlich schützt der deutsche Gesetzgeber nicht nur glanzvoll inszenierte Kunstfotografie, sondern jede Aufnahme bis hin zum hastig geknipsten Urlaubsselfie. Erfasst sind damit also auch Gemäldeaufnahmen. Deshalb argumentieren die Reiss-Engelhorn-Museen, dass sie - und nur sie - über ihr Fotomaterial bestimmen dürfen. So wolle man die Rechte der Fotografen wahren, die hauseigene Werke mit viel Aufwand in hoher Qualität ablichten.

In der Wikipedia-Community werden Fotografien von nicht mehr geschützten Werken als gleichfalls nicht geschützt betrachtet. Ansonsten, so das Argument der Netzautoren, verlängere sich die 70-jährige Schutzfrist mit jedem Foto erneut ins Endlose. Die Wikimedia-Foundation, die hinter dem Online-Lexikon steht, prüft nach eigenen Angaben derzeit noch die Rechtslage.

Der Streit schwelt seit Wochen. Kommenden Montag verstreicht eine letzte Frist, welche die Museen Wikipedia gesetzt haben - dann wollen sie klagen. Wo das geschehen könnte, ist nach Angaben ihrer Anwälte noch offen. Zahlreiche weitere Nutzer des Wagner-Porträts wie zum Beispiel das gemeinnützige Online-Portal Musical & Co und der Leipziger Radiosender detektor.fm ließen die Mannheimer Museen bereits anwaltlich abmahnen.

Auch wenn besagte Fotografie geschützt sein sollte, gäbe es theoretisch einen einfachen Weg, ans Bild zu kommen: Wer will, könnte ins Museum gehen und selbst die Kamera zücken. Das so entstandene Foto wäre qualitativ wohl nicht vergleichbar mit einer offiziellen Aufnahme. Aber das Recht daran stünde dem jeweiligen Fotografen zu, der es dann ins Internet stellen könnte. Doch diese Möglichkeit wird durch das Hausrecht der Reiss-Engelhorn-Museen versperrt: Fotografieren ist in den Ausstellungsräumen verboten; Abbildungen der Werke sind für maximal 250 Euro und nur nach Absprache erhältlich.

Viele europäische Kulturinstitutionen gehen einen anderen Weg: Sie arbeiten emsig daran, ihr Erbe online zu stellen und bieten die Abbildungen zur privaten Nutzung kostenlos an (siehe nebenstehenden Artikel). Auf öffentlich geförderten Plattformen wie Europeana oder Bavarikon stehen Tausende Fotos zur Verfügung. Kunsthäuser müssen sich nun entscheiden, ob sie selbst ihre Inhalte digitalisieren und deren massenhafte Verbreitung gutheißen - oder ob sie wie die Mannheimer auf ihrem Monopol bestehen.

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