Kunst und Musik:Nachts im Museum

Anlässlich der Ausstellung "Geniale Dilettanten" spielen "Die Goldenen Zitronen" und "Ornament & Verbrechen" im Haus der Kunst. Doch die altgedienten Subkulturhelden lassen die Chance, den etablierten Ort aufzumischen, einfach verhallen

Von Rita Argauer

Subkultur ist sexy. Und seit einigen Jahren haben das auch ganz etablierte Kulturinstitutionen, seien es staatliche Schauspielhäuser oder Museen, verstanden. Ausdruck dessen ist auch die Ausstellung "Geniale Dilletanten", die gerade im Münchner Haus der Kunst läuft. Doch die Ausgangslage dafür ist paradox: Einerseits wird dort die vergangene, subkulturelle Rebellion von Underground-Bands der Achtzigerjahre gegen die glatte Hochkultur dokumentiert. Andererseits sind die Bands durch diese Dokumentation schon längst in der Hochkultur angekommen. Die Musiker, die das Haus der Kunst nun quasi als lebendes Beispiel zum Konzert eingeladen hat, haben es da nicht einfach: Die Rebellen von damals spielen auf der Bühne im Westflügel im Sinne ihrer eigenen Konservierung, obwohl das Konservative zu stürzen ja eines der Hauptziele ihrer einstigen Rebellion war.

Im vergangenen Juli haben die Einstürzenden Neubauten bei einem solchen Konzert durch eine geschickte Haltung gegenüber diesem Grundparadox in ganzer Linie überzeugt. Nun wurden zum Ende der Ausstellung zwei weitere Bands dieser Zeit auf die Bühne gebeten: Das Ostberliner Duo Ornament & Verbrechen und die Hamburger Intellektuellen-Punker Die Goldenen Zitronen. Gerade letztere sind durch die Theaterarbeit von Sänger Schorsch Kamerun (etwa an den Münchner Kammerspielen) den Hochkultur-Kontext eigentlich gewohnt. Dass sie sich mit der eigenen Vergangenheit als Museumsstück einen Saal weiter so viel schwerer tun würden als etwa die Einstürzenden Neubauten überrascht. Doch nicht nur die wenig an den paradoxen Kontext angepasste Konzertdramaturgie trug dazu bei. Den Saal im Haus der Kunst mit verstärkter Musik zu bespielen ist ausgesprochen undankbar. Gegen den Hall, in dem die Stimmen verklingen und sich die Bassfrequenzen nicht mit den Höhen verbinden wollen, kommt keine der beiden Bands an.

Es beginnen Ornament & Verbrechen. Die haben eine weniger konstante Geschichte als die Zitronen - doch die Brüder Robert und Ronald Lippok gründeten nach der Wende Projekte wie Tarwater oder To Rococo Rot und bereiteten stilistisch all die hochwertige elektronische Musik vor, die derzeit ihren Höhepunkt erreicht hat. Im Haus der Kunst präsentieren sie nun also die Vorläufer der Vorläufer und spielen mit Synthie-Geknister und Beckengeklirre eine Mischung aus Kraut-Klang-Ästhetik und Trance-Dramaturgie. So richtig greifen kann man sie nicht, was sie aber praktischerweise auch der Vereinnahmung durch den großen Ausstellungskontext entzieht. Dass sich Ornament & Verbrechen jedoch überlegt hatten, wie sie mit der eigenen Musealisierung umgehen, lässt sich durch die Rückprojektionen erahnen. Alte oder auf alt gemachte technische Zeichnungen im Stil von Leonardo da Vincis Helikopter zieren die Bühnenrückwand. Doch die schlechte Akustik vereitelt tieferes Verständnis. Von den Erklärungen der Musiker zwischen den Songs hört man nur Wortfetzen: "15. oder 16. Jahrhundert", "Abhörmethoden" und etwas, das klingt wie "wenn die Stasi solch' kreative Methoden genutzt hätte, hätten wir sie ein wenig mehr schätzen können". Die Bilder zeigen einen Drachensteiger und etwas, das aussieht wie ein moderner Beamer. Ob es sich dabei um Fakes handelt, bleibt unklar, ebenso, ob das ernsthaft oder humorig gedacht ist. Die Chance der Musiker, zu sich selbst im Museum Bezug zu nehmen, verläuft sich.

Bei den Goldenen Zitronen hat man jedoch das Gefühl, dass sie das gar nicht erst versuchen. Sie setzen auf die bekannten Verkleidungen ihrer letzten Tour und spielen ein Konzert mit den bekannten Stücken. Das ist erst einmal nicht verkehrt, denn eigentlich ist in diesen für gewöhnlich gut inszenierten Konzerten die Bandbreite zwischen bissiger Kritik, Inszenierung, Nonsense, Unterhaltung und Humor angelegt, die die Band vor dem Museum schützen könnte. Doch als der pumpende Beat von "Der Investor" einsetzt, hat das nicht einmal ein Viertel der Kraft, die es beim Club-Konzert hat. Ein fies-lautes Gebollere, in dem sich nichts zusammenfügt und die bei den Zitronen so wichtigen Texte völlig untergehen. Die Ironie, das Subtile und das schlaue theatrale Spiel prallen an einer grauenhaften Hallenatmosphäre ab. Ein paar Textfragmente bleiben verständlich. "Die Suche nach der Party, die gerade nicht ist" oder der "Platz der leeren Versprechungen" werden für dieses Konzert zu wahren Beschreibungen.

Kunst und Musik: Ronald Lippok, der Schlagzeuger der Band Ornament & Verbrechen.

Ronald Lippok, der Schlagzeuger der Band Ornament & Verbrechen.

(Foto: Robert Haas)

Einen Moment der Intensität schaffen sie jedoch mit "Wenn ich ein Turnschuh wär" vom 2006er-Album "Lenin". Wenn Schorsch Kamerun sich in seiner unfassbar düsteren und gleichzeitig witzelnden Art auf die vielen Zuflucht suchenden Menschen in Deutschland bezieht, hat die Band all die jetztzeitige Kraft, die man von ihr kennt; und die sämtlichen Museumskontext zu sprengen vermag.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: