Kunst:Schöner schrumpfen

Wunderkammer 25 Jahre Domagk

Kunst im Karton: Das kuratierte Abteil von Peter Becker, einem ehemaligen Domagkkünstler.

(Foto: P. Becker/Domagkateliers)

Die Ausstellung "Wunderkammer" zum 25-Jährigen der Domagkateliers

Von Jürgen Moises

Vielleicht wäre das ja für alle die ideale Lösung: Man schrumpft einfach alle Künstler klein, und das mit den fehlenden Ateliers in München wäre kein Problem mehr. Jennifer Rieker führt das in der Ausstellung "Wunderkammer. 25 Jahre Domagkateliers" schon mal symbolisch vor. Da sieht man sie sogar zweifach als kleine Papierfigur in einem Karton sitzen. Auf einem kleinen Zettel, der auf einen Minitisch gespannt ist, stehen die Worte: "Play with me!" Der Künstler als Spielzeug in der Puppenkiste? Wenn man sich wiederum auf diese Sichtweise einlässt, wäre dann wohl die Frage, wer in dem Fall der Puppenspieler ist? Die Politik, die Sammler, Kuratoren oder die Ausstellungsbesucher?

Diese können sich in der Jubiläumsausstellung in der Halle 50 des Atelierhauses nicht nur einen, sondern mehr als 100 Kartons ansehen. Etwa 70 davon wurden befüllt, 60 von aktuellen und zehn von ehemaligen Domagkkünstlern. Zusammen bilden die Kartons den U-förmigen Grundriss des Atelierhauses nach. Das heißt, für jedes Atelier steht eine Kiste. Und wie Miniaturversionen der Atelierräume sieht das Kartoninnere bei einigen auch aus. Etwa bei Marta Fischer oder Hanne Kroll, die kleine Bilder an die Pappwände gehängt haben. Andere wie Augusta Laar oder Agnieszka Kaszubowska haben Guckkästen kreiert. Elizaweta Reich hat ihr eigenes Spiegelkabinett, Russel Russinhoff eine Musikinstallation inklusive Spiegelei geschaffen, und Yongbo Zhao hat angebrochene Farbtuben in den Karton geworfen.

Auch vereinzelte Musiker sind mit Kartons vertreten, haben darin CD- oder Schallplatten-Cover deponiert. Womit die von den Künstlern gemeinsam organisierte "Wunderkammer" tatsächlich wie eine Art Mikrokosmos sehr gut die aktuellen Domagkpositionen widerspiegelt. Und das auf eine sympathische und spielerische Weise. Dass mit Künstlern wie Barbara Breen, Peter Becker oder Artur Lesniewicz nur so wenige Ehemalige beteiligt sind, ist dagegen etwas schade. Vor allem wenn man bedenkt, dass die auf dem Gelände einer ehemaligen Funkkaserne entstandenen Domagkateliers mal die größte Künstlerkolonie Europas waren. Nur gibt es von vielen Ehemaligen wohl keine aktuellen Kontaktdaten. Andere haben sich per Mail aus Spanien oder Südtirol entschuldigt.

Dafür kann man in historischen Videoaufnahmen viele der früheren Künstler, deren Ateliers und Arbeiten sehen. Die Aufnahmen wurden in drei Programme aufgeteilt, die ebenfalls im Ausstellungsraum laufen. Sie zeigen Bilder von vergangenen Ateliertagen, von Künstlersonntagen oder Ausstellungseröffnungen. Hinzu kommen TV-Künstlerporträts und andere Fernsehbeiträge. In einigen kann man Haus 50, das aktuelle und einzig verbliebene Atelierhaus, noch im früheren, unrenovierten Zustand sehen. Also aus der Zeit vor 2007, bevor die Stadt München das Gebäude angekauft und als Atelierhaus übernommen hat. Auch aus Haus 49 gibt es Bilder. Dieses wurde noch bis Anfang 2011 von Künstlern bespielt und bald darauf abgerissen. Das heißt, die Domagkateliers sind in den 25 Jahren wirklich geschrumpft. Dort, wo früher weitere Kunstkasernen waren, ist in den vergangenen Jahren das Wohnquartier Domagkpark gewachsen. Und während die einzelnen Häuser früher autonom und selbstverwaltet waren, werden die Ateliers heute basierend auf einem Bewerbungsverfahren von der Stadt in einem Fünf-Jahres-Turnus vermietet. Der nächste Wechsel findet im April 2019 statt. Dass 45 Mieter bleiben dürfen und 57 andere ersetzt werden, ist aber bereits entschieden.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten am kommenden Wochenende wird das hoffentlich nicht trüben. Denn die sollen genauso wie die "Wunderkammer" nicht zuletzt auch demonstrieren, dass der alte Domagkgeist trotz allem weiterlebt. Mit weiteren Ausstellungen, Führungen, Performances, Lesungen, einer Kinderkunstaktion und zahlreichen Konzerten bieten sie ein vielfältiges Programm. Offizielle Eröffnung ist am Freitag um 18.30 Uhr, danach kann man sich das Haus und alle Ateliers ansehen. Das heißt, die echten Ateliers und die kleinen aus Pappkarton.

Wunderkammer. 25 Jahre Domagkateliers, Ausstellung bis 17. Juni; Jubiläumsfeiern von Fr. bis So., 8. bis 10. Juni, Städt. Atelierhaus am Domagkpark, Programm unter www.domagkateliers.de

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