Kunst: Palazzo Farnese:Triumphzug der Sinne

Die Göttin mit dem schönen Hintern ist wieder da: Drei Monate lang sind in Rom die prächtig ausgestatteten Säle des Palazzo Farnese geöffnet. Ein Rundgang.

Ingeborg Walter

Auf Raffaels um 1513 entstandenem Bildnis steht Kardinal Alessandro Farnese auf der Terrasse seines Palasts, den es in Wirklichkeit noch gar nicht gab. Hinter ihm fällt der Blick auf einen Fluss und eine Brücke - ganz wie man heute noch vom römischen Farnese-Palast aus über den Tiber und den Ponte Sisto hinweg zum anderen Ufer schaut. Farnese war schon 1493 vom Borgia-Papst Alexander VI. zum Kardinal erhoben worden, nicht ohne das Zutun, wie man munkelte, seiner schönen Schwester Giulia. Doch trotz seines hohen Kirchenamts hatte der Kardinal Familie.

Aphrodite Kallipygos

Nach Rom zurückgekehrt: Aphrodite Kallipygos, die Göttin mit dem schönen Hintern.

(Foto: Luciano Pedicini)

Als letzter Nachkomme eines adligen Geschlechts aus dem Norden Latiums hatte er mit seiner Konkubine vier Kinder gezeugt, um seine Familie vor dem Aussterben zu bewahren. Für seine Söhne und Kindeskinder plante er jetzt den Bau eines mächtigen Palasts, die Pläne dazu lieferte der Architekt Antonio da Sangallo. Die Bauarbeiten zogen sich über fast achtzig Jahre hin. Inzwischen war Alessandro Farnese 1534 zum Papst mit dem Namen Paul III. gewählt worden, und als er 1549 starb, besaß seine Familie zwei Herzogtümer in Italien - Castro und Parma, beide Lehen der Kirche -, und zwei seiner Enkel waren wiederum Kardinal. Die Heiraten der Enkel Ottavio und Orazio verschwägerten die Farnese dazu mit dem Kaiser und dem König von Frankreich.

Der Palazzo Farnese blieb bis zum Aussterben der Familie im 18. Jahrhundert im Besitz der Herzöge von Parma, dann fiel er als Erbschaft an die Könige von Neapel. Heute befindet er sich in französischer Hand und ist Sitz der französischen Botschaft. Für einen normalen Besucher ist er deshalb so gut wie unzugänglich geworden.

Umso mehr ist deshalb die Initiative des französischen Botschafters zu begrüßen, den Palast eine Zeitlang wieder für das Publikum zu öffnen und einiges von seinen Schätzen - sie sind zum größten Teil nach Neapel gebracht worden - wieder an ihren alten Ort zurückzuholen. Schon Paul III. erwarb antike Skulpturen. Kardinal Alessandro, sein Enkel, bereicherte die Sammlung mit weiteren bedeutenden Stücken. Mit ihrer überwältigenden Zahl von Statuen, Büsten, Gemmen und Münzen war die Farnese-Sammlung eine der bedeutendsten in Rom. Paul III. holte auch Tizian nach Rom, um die Porträts seiner Familie malen zu lassen; Kardinal Alessandro bestellte bei ihm eine laszive "Danae".

Lesen Sie weiter auf Seite 2, welche Erwartungen die Ausstellung erfüllt - und welche nicht.

Orgiastischer Triumphzug

Der Ururenkel Pauls III., Kardinal Odoardo Farnese, erbte schließlich die umfangreiche Sammlung von Antiken, Gemälden und Zeichnungen Fulvio Orsinis, des langjährigen Beraters der Farnese in künstlerischen Dingen. Er war es auch, der die große Galerie zum Garten hin und sein Schlafgemach von Annibale Carracci, der zeitweilig dabei von seinem Bruder Agostino unterstützt wurde, mit grandiosen Fresken ausschmücken ließ. Die beiden Carracci malten für den Kardinal auch viele Gemälde. Ein Katalog des 17. Jahrhunderts verzeichnet an die 600 Bilder im Palast, die bedeutendsten von ihnen hängen heute im "Museo di Capodimonte" in Neapel. Schon vor der Galerie mit ihren mythologisch erotischen Fresken, dem letzten großen Meisterwerk der Renaissance, war der sogenannte Salotto dipinto von Francesco Salviati mit Darstellungen zur Verherrlichung der Familiengeschichte ausgeschmückt worden.

Der Besucher geht also mit vielen Erwartungen in den Palast, die allerdings nicht alle erfüllt werden. Im Garten steht nicht wie damals die Monumentalskulptur des "Farnesischen Stiers", die 1545 in den Caracalla-Thermen ans Licht kam und mit deren Aufstellung Michelangelo beauftragt wurde. Auch schmücken den Innenhof nicht mehr die sechs antiken Kolossalstatuen, die Tugend, Tapferkeit und Blüte der Familie Farnese versinnbildlichen sollten. Wenigstens eine von ihnen, den berühmten "Ercole Farnese", kann man oben im "Großen Saal" in Gips bewundern. Einige kleinere antike Skulpturen, die einmal zwei Säle füllten, sind jedoch auf dem Flur vor der Galerie ausgestellt, darunter die reizende "Aphrodite Kallipygos" ("die mit dem schönen Gesäß"), die sich in spielerischer Drehung ihrem schön gerundeten Hinterteil zuwendet.

Nur wenige der vielen Gemälde haben den Weg zurück in den Palast gefunden. Von den Porträts, die Tizian gemalt hat, ist nur jenes zu sehen, das Paul III. ohne Kopfbedeckung zeigt. Das Gruppenbild mit seinen Enkeln Ottavio und Alessandro, das so prägnant den Aufstieg der Farnese illustriert, ist genauso wie Raffaels Bildnis in Neapel geblieben.

Zwischen Laster und Tugend

Der Besucher wird jedoch reichlich durch die Besichtigung des Palastes entschädigt. Offen stehen wieder die sich über zwei Geschosse hinziehende "Sala grande", der wichtigste Repräsentationsraum, der "Salotto dipinto" mit seinen Fresken (allerdings nur bei Abwesenheit des Botschafters) und die berühmte Carracci-Galerie mit ihren antiken Statuen, die heute aber nur noch als Gipsabdrücke in den Nischen stehen. Zugänglich ist auch das Schlafgemach Kardinal Odoardos, in dem Annibale Carraccis Gemälde "Herkules am Scheideweg", das ursprünglich an der Decke angebracht war, wieder im Original zu sehen ist. Wenn der Kardinal im Bett lag und nach oben schaute, dürfte ihm die Entscheidung zwischen Laster und Tugend nicht ganz leichtgefallen sein, hat doch das Laster die Formen der Aphrodite mit dem schönen Hintern.

Der Katalog mit 32 Beiträgen von unterschiedlicher Qualität und den Erläuterungen zu den einzelnen Ausstellungsstücken belehrt den Besucher auch über vieles, was er nicht sieht. Kompetent werden die Baugeschichte des Palasts und die Entstehung und Aufstellung der Antikensammlung behandelt (C. L. Frommel und C. Riebesell). Die Familiengeschichte enthält nicht wenige Fehler und ist sehr oberflächlich rekonstruiert (S. Andretta).

Sehr nützlich ist die Übersicht über die in Neapel bewahrten Antiken und Gemälde aus dem Farnese-Besitz (C. Gasparri, N. Spinosa), erhellend M. Utili zu Carraccis "Herkules am Scheideweg". Verwunderlich ist dagegen die kontrastierende Interpretation der Carracci-Fresken in der Galerie. Während F. Buranelli deren erotischen Charakter nicht anzweifelt, besteht S. Ginzburg auf der öfter schon vorgetragenen Meinung, dass hier, entsprechend der angeblichen Bestimmung für die Hochzeit Herzog Ranuccio Farneses, ein moralisierendes Programm zur Ausführung kam. Der orgiastische Triumphzug von Bacchus und Ariadne mit den vielen Nacktheiten auf dem zentralen Deckenfresko scheint für solche Finalitäten eher ungeeignet. Ginzburgs Thesen sind in der Forschung denn auch mit überzeugenden Argumenten bestritten worden.

Die Ausstellung im Palast bleibt bis 27. April geöffnet. Katalog "Palazzo Farnese. Dalle collezioni rinascimentali ad Ambasciata di Francia" bei Giunti, Florenz

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