Wie man Leser - auch für sehr sperrige Themen - gewinnen kann? Für Überlegungen zu Strukturen der Kunstförderung, Verflechtungen zwischen Geld und Museen, um Starkult und ästhetischen Einfluss? Wer in solchen Bereichen durchsteigt, schreibt besser keinen Essay. Sondern hämmert die Thesen zurecht, bis nur noch die Namen der Akteure übrig sind.
Wenn man dann einen Titel wie "Power 100" darüber schreibt und sich auf einhundert Zeilen beschränkt, hat man einen Text, den die ganze Welt liest; jedenfalls die Kunstwelt.
Alljährlich macht sich das Magazin Art Review die Mühe mit diesem Text, die Liste erscheint an diesem Donnerstag und sorgt sicher wieder für Gesprächsstoff. Mal steht ein Sammler oben, dann wieder ein Kurator und danach ein Galerist.
So eine Spitzenposition wird als Ansage verstanden, der Rest sortiert sich. In diesem Jahr ist die Überraschung, dass es eigentlich keine ist: Hans Ulrich Obrist - Schweizer, Globetrotter, Netzwerker - stand schon einmal ganz oben, im Jahr 2009.
Das gab es auch noch nie, dass einer zweimal so hoch gesetzt wurde von den Kunstjournalisten, und wer sich die Mühe macht, das Kleingedruckte zu lesen, erfährt, dass es, so die These, nicht mehr angezeigt sei, sich mit Objekten zu beschäftigen. Das sei schlicht die Domäne des Handels, der Galerien und Messemacher.
"Seine Bedeutung geht über die Mauern der Ausstellungshäuser weit hinaus"
Ein Kurator wie Obrist beschäftige sich mit der Distribution von künstlerischen Ideen. Deswegen fällt es nicht ins Gewicht, dass der Geehrte - anders als beispielsweise der auf Platz 8 gesetzte Adam D. Weinberg, Direktor des Whitney Museums in New York, oder Nicholas Serota und Frances Morris, aktuelles Führungsteam der Tate Galerien (Platz 5) - lediglich über zwei Ausstellungspavillons regiert, die so verstreut in Londons Kensington Park liegen wie die Lagerhäuser der Galerien von Larry Gagosian (Rang 6) oder Iwan Wirth (Platz 3) im Londoner Osten.
Nur dass sie viel kleiner sind. "Seine Bedeutung geht über die Mauern der Ausstellungshäuser weit hinaus", sagt Mark Rappolt, Herausgeber der Art Review zur SZ und gibt sich ernüchtert: Die arabischen Prinzessinnen, die man einst so hoch schätzte (2013 führte die Tochter des Emirs von Katar das Ranking an), hätten die in sie gesetzten Erwartungen auf dauerhaftes, öffentliches Engagement nicht erfüllt.
Auch andere Großsammler interessierten sich vor allem für ihre Privatmuseen. Nun dürfen sie nur auf die Liste, wenn sie, wie der türkische Industriemagnat Ömer Koç (Rang 99), "die Kunst auch in harten Zeiten unterstützen".
Niemand hat diesen Mäzen, der am Bosporus an einem eigenen Museum baut, besser porträtiert als Hito Steyerl in einer Lecture Performance. Als sie zu einer - von Koç geförderten - Istanbul Biennale eingeladen war, analysierte sie wortreich und eloquent dessen Waffengeschäfte und politische Verstrickungen. Auch diese in München geborene Künstlerin gehört zu den "Power 100", ihr Name steht sogar auf Platz 7 und ist damit der am höchsten rangierende Künstlername der Welt.