Kunst in London:Trafalgar-Faust

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Zu lang, um richtig phallisch zu sein: David Shrigleys "Really Good". (Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP)

Die Kunst am Trafalgar Square in London geht in die achte Runde. "Really Good" heißt das neue Werk dort, von David Shrigley. Ist es das wirklich?

Von Alexander Menden

Sadiq Khan legte eine Begeisterung an den Tag, die in deutlichem Kontrast zum auf den Trafalgar Square niedergehenden Nieselregen stand. Er sprach vom Geist der Offenheit, den London gerade jetzt, nach der Brexit-Entscheidung, brauche. Er freute sich, dass "alle Menschen Kunstkritiker sein können". Und er hielt das an der Nordwestecke des Platzes versammelte Publikum zum Jubel an.

Der Enthusiasmus war verständlich, denn an diesem Donnerstagmorgen enthüllte Khan zum ersten Mal in seiner Rolle als Londoner Bürgermeister ein Kunstwerk im öffentlichen Raum. Andererseits ist der Optimismus des achten Kunstwerks, das im Rahmen der "Fourth Plinth Commission" vor der National Gallery ausgestellt wurde, so sehr mit Ironie und Seltsamkeit getränkt, dass sein Schöpfer, der Künstler David Shrigley, von Khans Eifer fast ein wenig befremdet schien.

"Really Good", richtig gut, heißt die bronzene Faust mit einem sieben Meter hohen Daumen, der nun temporär vom Denkmalsockel am Trafalgar Square aufragt. Mit anderen Kunstwerken, die hier gestanden haben, Yinka Shonibares Buddelschiff etwa oder zuletzt Hans Haackes skelettiertem "Geschenkten Gaul", hat Shrigleys Arbeit gemein, dass sie den von Reiterstandbildern geprägten martialischen Gesamteindruck des Trafalgar Square gehörig untergräbt. David Shrigley, der in Glasgow lebt und vor drei Jahren für den Turner-Preis nominiert war, besetzt eine Schnittmenge irgendwo zwischen Gary Larson, Tex Rubinowitz, dem Surrealismus und Multi-Referentialisten wie seinen Generationsgenossen Jeremy Deller und Martin Creed. Obwohl er in vielen Medien arbeitet, ist er vor allem für seine bewusst kruden Zeichnungen und Zeichenfilme bekannt, in denen krakelige Strichmännchen sehr ernsthaft sehr albernen Tätigkeiten nachgehen. In genau diesem Geist ist auch der "Really Good"-Daumen gehalten: Überdimensioniert, irgendwie neckisch, und anatomisch zu absurd, um bedrohlich oder gar selbstbewusst phallisch zu wirken.

In seinem Werk gehe es darum, "die Welt zu einem besseren Ort zu machen", sagte Shrigley bei der Enthüllung, um dann typischerweise gleich einschränkend hinterherzuschieben, dass "Kunstwerke ja tote Gegenstände sind, die so etwas nicht leisten können".

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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