Kunst in Afghanistan:Kabuls goldene Panzer

Afghanistan Panzer Kunst Neda Taiyebi

An diesem Panzer haben sogar Soldaten mitgemalt.

(Foto: Neda Taiyebi)

Neda Taiyebi will Farbe und Fröhlichkeit ins triste Stadtbild von Kabul bringen - und malt verlassenes Kriegsgerät an.

Von Carolin Gasteiger

Sie sind Symbole des Krieges, Symbole für Gewalt, Macht und Unterdrückung. Und sie stören das Landschaftsbild Afghanistans. Die verlassenen Militärfahrzeuge der Sowjet-Ära stehen Jahre nach dem Krieg da wie erstarrte Reptilien, bedrohlich und angsteinflößend.

Aber einige von ihnen scheinen zu einem neuen, anderen Leben zu erwachen; sie leuchten in bunten Farben, tragen kunstvoll gestaltete Motive - und verlieren dadurch ihre Bedrohlichkeit.

Bemalt hat sie Neda Taiyebi. Die junge Künstlerin kommt aus Iran und lebt seit einem Jahr in Kabul. Europa hätte sie auch gereizt, sagt sie, aber schlussendlich war es zu teuer. Also beschloss Taiyebi, in ein näher gelegenes Land zu gehen. "Es klingt ironisch, aber nach Afghanistan zu gehen, war einfacher für mich als nach Europa", sagt Taiyebi. So sehr ihr das Leben in Afghanistan gefällt - Kabul ist, wie sie selbst sagt, ziemlich trist. Es gibt kaum Cafés, kaum öffentliche Orte, an denen man sich aufhalten kann. Eigentlich wollte Taiyebi eine Zeitschrift für Kunst herausgeben. Aber das funktioniert in Afghanistan nicht ohne Sponsoren - und für ein Nischenthema wie Kunst ist das besonders schwer.

Was ihr auffiel: Immer wieder diese Panzer, die aus dem Grau der Landschaft ragen. Ein ungewohntes Bild, auch für die 28-Jährige. "In fremden Ländern fallen einem oft Sachen auf, an die sich die Einheimischen längst gewöhnt haben. So ging es mir mit den Panzern - ich habe noch nie zuvor so viele Militärfahrzeuge gesehen." Also kam ihr die Idee, sie, in all dem Grau, bunt anzumalen.

Auf einem ihrer bemalten Kunstwerke, das im staubigen Viertel Khair Khana steht, tollen fröhlich Kinder herum. Einen anderen Panzer auf einem Hügel über Kabul, auf den Taiyebi große Birnen gepinselt hat, nutzen mehrere Männer zum Teetrinken. Genau das wollte die junge Frau - einen öffentlichen Raum schaffen, an dem sich die Einheimischen aufhalten können und wollen.

Mit ihren Motiven, die an Obststände, Küchenschürzen oder orientalische Paläste erinnern, setzt sie diesem Grau einen Kontrapunkt entgegen. Ebenso der düsteren Stimmung: Immer noch sind Gewalt und Korruption in Afghanistan allgegenwärtig. Um mit den Taliban zu verhandeln, ist Kabul auf Pakistan angewiesen. Die aufständischen Taliban sind in zahlreiche Fraktionen gespalten, was Verhandlungen erschwert. Und die Regierung kämpft gegen den Exodus, vergeblich. Im vergangenen Jahr haben laut dem Magazin Foreign Policy 150 000 Afghanen ihre Heimat verlassen. Tendenz steigend.

Trotzdem will Taiyebi, und das ist der jungen Frau wichtig, mit ihrer Kunst keine Botschaft transportieren. Weder eine politische noch eine feministische: "Die Menschen sollen sich ihr eigenes Bild von meiner Kunst machen - und das darin sehen, was sie sehen wollen."

Zwar seien Motive wie Blumenranken eher weiblich konnotiert, "das liegt aber daran, dass die Künstlerin eine Frau ist. Und eine, die bunte, grelle Farben mag."

Mit Repressionen hat Neda nicht zu kämpfen. Im Gegenteil: Bei ihrem jüngsten Projekt im Panjshir-Tal halfen ihr die Soldaten, die sie eskortierten, sogar. Ihnen blieben nur noch wenige Stunden, bevor es dunkel wurde. Da mussten ihre Begleiter mit anpacken - und malten sogar mit.

Natürlich kann das Bemalen von Panzern nicht völlig unpolitisch sein. "Aber die Menschen in Kabul haben schon genug politische Probleme, da muss ich ihnen nicht auch noch meine Sichtweise aufbürden." Taiyebi nennt es statt eines politischen Aktes lieber Recycling. Mit ihrer Kunst wolle sie den Menschen beibringen, dass visuelles Erleben - und Genießen - völlig normal ist. "Das kann man nach so vielen Jahren Krieg leicht vergessen." Bis aus einem Panzer ein bunter Ort der Begegnung wird.

Afghanistan Panzer Kunst Neda Taiyebi

Neda Taiyebi will den öffentlichen Raum verschönern und nicht politische Botschaften aussenden.

(Foto: Aryan Musleh)
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