Kunst:Wie kommt denn die Palme auf den Odeonsplatz?

Palme am Odeonsplatz

Passanten betrachten eine Palme am Odeonsplatz in München.

(Foto: dpa)

Die Kunstinsel am Lenbachplatz wird zur Bananenplantage und am Odeonsplatz wächst plötzlich eine Palme aus dem Pflaster. Was hinter alldem steckt.

Von Evelyn Vogel

Als vor vier Jahren das Projekt "A Space Called Public" die Stadt mit temporären Installationen überzog, trieb sie einige Betrachter auf die Palme. Die Aufregung war in etwa so groß wie der Etat von 1,2 Millionen Euro. Mit der von dem Künstlerduo Elmgreen & Dragset kuratierten Aktion legte das Kulturreferat ein Bekenntnis zur Tradition der Kunst im öffentlichen Raum in München ab und zeigte, dass diese Ausdrucksform viel mehr als dekorative Fassadenkunst sein kann. Die Resonanz auf die Aktion war jedenfalls vielfältig und durchaus auch international.

Für das kommende Jahr plant man wieder einen großen Wurf mit einem ähnlich hohen Etat. Für "Public Art Munich 2018" hat die Stadt die international renommierte Kuratorin Joanna Warsza verpflichtet. Die von ihr eingeladenen Künstler werden den Status von Demokratie in einer Zeit untersuchen, in der Leben so öffentlich und so überwacht wie nie zuvor ist. Es soll um Meinungsfreiheit, Transparenz, Whistleblowing, Privatsphäre, Überwachung und soziale Mobilisierung gehen.

Zwischen diesen Großprojekten aber finden jährlich einzelne Aktionen oder kleinere Serien in der ganzen Stadt statt. In diesem Jahr gestaltet eines der Hauptprojekte zur Kunst im öffentlichen Raum die junge Münchner Künstlerin Susi Gelb. Mit ihrer temporären Installation "No such things grow here" verwandelt sie die Kunstinsel am Lenbachplatz in eine Bananenplantage, lässt am Odeonsplatz eine Palme aus dem Pflaster wachsen und gestaltet den Max-Joseph-Platz, dass man ihn kaum wiedererkennt.

Auf dem Geviert vor der Oper, wo normalerweise das Denkmal von König Max I. Joseph eine von Verkehr umtoste Pflastersteinwüste beherrscht, verbindet sie alle ihre künstlerischen Ideen, in denen natürliche und chemische Prozesse, tropische Pflanzen und skulpturale Werke aus intelligenten Materialien eine seltsam hybride Biosphäre schaffen.

Hier ragen nun Palmen gen Himmel und lassen München nicht nur als nördlichste Stadt Italiens erscheinen, sondern verorten sie gleich noch ein Stück weiter gen Äquator. Dazwischen stehen Bronzegüsse von Kakteen, Sitzplateaus laden zum Verweilen ein und bergen die Überraschung, dass die dunkelblauen Kacheln unter der Sonnenhitze oder der Körperwärme ihre Farbe ändern.

Auf einem großen Videoscreen läuft im Dauerloop ein Film, der die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion in Form natürlich wie künstlich oszillierender Farbwechseln nachahmt und Susi Gelbs alchemistischen Forschungskosmos zwischen Kunst, Natur und Wissenschaft erschließt.

Die Münchner Akademieabsolventin, die mit anderen auch für das Easy-Upstream-Popup-Projekt verantwortlich war, hat in Sri Lanka Fauna und Flora gefilmt, war für Aufnahmen mit einem Albino-Python in einem Münchner Privatpool schwimmen und ließ Steinadler mit Kameraausrüstung über den Sylvensteinstausee und das Lenggrieser Tal fliegen.

Kunst: Am Lenbachplatz lässt Susi Gelb Bananen und Sukkulenten sprießen. Die Kunsttafel oben zeigt Makroaufnahmen ihrer Farbreaktionsversuche.

Am Lenbachplatz lässt Susi Gelb Bananen und Sukkulenten sprießen. Die Kunsttafel oben zeigt Makroaufnahmen ihrer Farbreaktionsversuche.

(Foto: Catherina Hess)

Die in der Natur vorkommenden Farbwechsel setzt sie in Verbindung mit chemischen Prozessen, die sie inszeniert (oder durch die Kristallisationsprozesse der thermochromen Kacheln deutlich macht) und in einer künstlerischen Intervention dem Wasser, dem Wachstum, der Transformation übergibt.

Überhaupt das Wasser: Es kann als ein Ausgangspunkt des gesamten Konzepts gelten. "Panta rhei" - alles fließt. Neben dem Wasser auch der Strom, die Kristalle, die Bronze, die Sonne, der Pflanzensaft. Unterlegt von einem Sound von Fonda Mentalism und Nouvelle fließen die Bilder im Dauerloop dahin. Nur zwischen ein Uhr nachts und fünf Uhr früh werden Video und Sound abgeschaltet.

Kerstin Möller vom Kulturreferat nannte die Aktion "urbanen Wahnsinn". Jedenfalls treibt sie die Stadt auf bestimmte Art auf die Palme.

No such things grow here. Temporäres Kunstprojekt von Susi Gelb im öffentlichen Raum der Stadt München, Max-Joseph-Platz, Odeonsplatz, Lenbachplatz, bis 21. August, Spaziergänge: www.growhere.de/programm

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: