Kunst im Netz:Krasses Dürer-Bunny!

Van Gogh verwandelt sich in "Ohr" und "Wahnsinn": Ohne Titel oder Künstlername zu kennen, lassen sich klassische Kunstwerke jetzt durch populäre Schlagworte finden. Und jeder kann neue Suchbegriffe prägen.

Franziska Seng

Es gibt Gemälde, die brennen sich ins Gedächtnis: Der rosarote Tanzrausch im Park oder Bild-Details wie ein Paar faltiger Hände gehen dem Museumsbesucher mitunter nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn er Namen oder Titel des Kunstwerks vielleicht vergessen hat.

Krasses Dürer-Bunny!

Was fällt Ihnen dazu ein? Albrecht Dürers "Junger Feldhase" (1502).

Der Laie, der sich auf die Suche nach den eindrücklichen Bildern machen will, hatte es bisher schwer: Zwar könnte er im Internet suchen, mittlerweile stellen viele Museen ihre Schätze auf den eigenen Webseiten aus. Wer sich aber weder an den Titel noch an den Namen des Künstlers errinnert, musste sich hilflos durch die Bilderflut der Museums-Datenbanken klicken. Deren Suchmasken sind nicht mit Detail-Impressionen wie "rosa" oder "faltige Hände" zu füttern.

Aus diesem Grund waren Experten bisher die Hauptnutzer solcher Museums-Portale. Kuratoren aus den USA und Australien wollen dies nun ändern, Nicht-Spezialisten den Zugang zu ihren Exponaten erleichtern. Mehrere "Art-Tagging-Projekte" wurden von verschiedenen Einrichtungen ins Leben gerufen, um eine auf visuellen Eindrücken basierende Suche zu ermöglichen.

Das "Tagging" ist eine der Internet-Aktivitäten, die mit der Entwicklung von Web 2.0 populär wurden: Fotos werden von Web-Nutzern mit einem "Tag", einem virtuellen Etikett mit Stichworten versehen, was sie im Datenwust leichter auffindbar macht. Bisher vertaggte man hauptsächlich private Fotos, die Hobby-Photographen auf Seiten wie flickr.com ins Netz gestellt hatten: Zu beliebigen Schlüsselwörtern wie "Kuckuck" oder "Flip Flop" finden sich dort zahlreiche Abbildungen. Ähnliches soll nun mit Gemälden Monets und archaischen Kleinplastiken geschehen.

Seit August 2006 ermutigt die Smithsonian Photographic Initiative ihre Besucher, ausgewählte Bilder zu taggen, ähnlich wie das Powerhouse Museum Sydney. Das Metropolitan Museum of Art in New York hat mit anderen Einrichtungen des Landes das steve.museum Tagging Project ins Leben gerufen, um Objekte von jedermann etikettieren zu lassen.

Dabei soll weniger nach kunsthistorischen Kriterien klassifiziert werden, Subjektivität ist erwünscht. So fügten auch User bei einem Foto Greta Garbos zu den Tags der Smithsonian Institution noch ihre eigenen hinzu: "Hollywood" und "solitude".

Neben der verbesserten Suchmöglichkeit wird diese unorthodoxe Sichtweise auch, so die Überzeugung der amerikanischen Kuratoren, die Kunstwerke in einem anderen Licht erstrahlen lassen: "Wir würden nie sagen, ein Gemälde sei überwiegend "rot" oder verbreite ein Gefühl der Langeweile", erklärt Bruce Wyman vom Denver Art Museum. "Durch das Taggen gelangen wir zu Ansichten, die wir als Experten nicht haben."

Manchmal sagt ein Wort eben mehr als tausend Bilder.

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