Kunst:Hier rollen Köpfe

Die Berliner Künstlergruppe Bankleer erzählt mit ihrer Performance "Die Irrenden" auf dem Max-Joseph-Platz von einem Europa auf der Suche nach Orientierung

Von Evelyn Vogel

Die Köpfe rollen, spucken Sätze aus wie: "Die Märkte haben ihre Bedürfnisse, und die sollten wir respektieren. Dafür hast Du ein schönes Motto gewählt: Strukturreformen." Oder: "Oh ja, wir sollten nicht nur Griechenland vor seinen Rettern retten - dem Ende des demokratischen Prozesses - sondern auch Europa selbst vor seinem Ende."

Blut fließt zwar keines bei der verbalen Auseinandersetzung der Schwollschädel, die neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und EZB-Chef Mario Draghi auch Dutty Boukman, Anführer des ersten Sklavenaufstands auf Haiti von 1791, darstellen. Dafür prasselt reichlich Regen auf die fast mannshohen Köpfe aus Pappe und die kleine Zuhörerschar, als die Künstlergruppe Bankleer auf Einladung des Kulturreferats ihre Performance "Die Irrenden. Europäische Defigurationen" erstmals auf dem Max-Joseph-Platz startet.

Der Platz ist gut gewählt. Nicht nur, weil man mit Staatsoper und Staatstheater im Rücken die Hochkultur konterkariert. Nicht nur, weil man mit der Nähe zur Edel-Einkaufsmeile Maximilianstraße die Kapitalismuskritik verortet. Sondern auch, weil man zu Füßen von König Max I. Joseph, der mit seinem Minister Montgelas den modernen bayerischen Staat schuf, der Kritik an staatlichen Strukturen einen institutionalisierten Background gibt.

Von einem Europa, das sich verirrt hat und nicht weiß, wo es in der Welt und mit der Welt steht, erzählt die Performance, die noch zwei weitere Figuren ins Spiel bringt und nach der Aktion im Außenraum in einem Container vor dem Denkmal fortgesetzt wird. Des weiteren rollt noch ein mobiles Soundsystem in Form eines riesigen Megafons, ein sogenanntes "Tohubassbuuh", rund um den Platz und durch die Straßen der Innenstadt, steuert geschichtsträchtige Orte an, um den Monumenten und Denkmälern wie auch den Passanten Klangcollagen und weitere Textfetzen ins Ohr zu blasen.

Allein: Die Texte von Philosophen, Schriftstellern und Politikwissenschaftlern sind so umfänglich und werden so versetzt im Mit- und Gegeneinander gesprochen, dass es schwerfällt, ihnen inhaltlich zu folgen. Selbst bei guten Wetterverhältnissen benötigt man viel Aufmerksamkeit und Ausdauer, damit das Ganze nicht an einem vorbeirauscht. Und ob das bei der kurzen Verweildauer der Passanten an der Stelle wirklich funktioniert, ist fraglich.

Hinter Bankleer, gegründet 2000 in Berlin, stehen Karin Kasböck und Christoph Maria Leitner aus Mühldorf und Altötting, die beide in München studiert haben. Die Münchner "Irrenden" sind eine aktualisierte Fassung eines Projekts, das bereits im Berliner Herbstsalon des Maxim Gorki Theaters und bei den Wiener Festwochen gezeigt wurde. Übrigens: Ob die Tatsache, dass Merkel beständig am Boden liegt, die Niederlage der Politik gegenüber der Finanzwelt symbolisieren soll? Wer weiß.

Die Irrenden. Europäische Defigurationen. Performance der Berliner Künstlergruppe Bankleer, bis 12. Juni täglich zwischen 16 und 20 Uhr, Max-Joseph-Platz (bei Starkregen entfällt die Performance)

DIE IRRENDEN. EUROPÄISCHE DEFIGURATIONEN, Rollende Köpfe auf dem Max-Joseph-Platz, Skulpturale Performance des Künstlerduos Bankleer

Auf Du-und-Du mit dem Haitianischen Rebellen standen die Besucher der Eröffnungsperformance auf dem Max-Joseph-Platz im Regen.

(Foto: Florian Peljak)
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