Kunst:Götterdämmerung

Galerie Jahn & Jahn

Auf zu neuen Taten in der Baaderstraße: die Galeristen Fred Jahn, Tim Geissler und Matthias Jahn (von rechts).

(Foto: Galerie Jahn)

Mit dem Umzug von Fred Jahn hat die Maximilianstraße wieder einen bedeutenden Galeristen verloren

Von Evelyn Vogel

Mehr als ein halbes Jahrhundert. Das ist nicht nur in unserer schnelllebigen Zeit eine beachtliche Hausnummer. Mehr als ein halbes Jahrhundert war Fred Jahn als Galerist in der Maximilianstraße tätig. Erst bei Raimund Thomas und Heiner Friedrich - beide Galeristen der alten Garde, die in den Sechzigerjahren jene Münchner Straße als Hort zeitgenössischer Kunst prägten. Dann als eigenständiger Galerist vier Jahrzehnte in der Maximilianstraße 10. Dort, im ersten Stock des Hauses, standen Malerei und vor allem auch Arbeiten auf Papier im Mittelpunkt seiner Arbeit, früh schon zeigte er Künstler wie Georg Baselitz, Per Kirkeby oder Fred Sandback, blickte immer aber auch auf die Münchner Szene.

Seit diesem Sommer ist dieses Kapitel vorbei. Fred Jahn hat, wie andere vor ihm, die Maximilianstraße verlassen. Mit ihm verliert die Prachtstraße - entgegen ihrem heutigen Flagship-Store-Image von Armani bis Prada einst geprägt von rebellischen jungen Künstlern und ihren Galeristen - einen weiteren Fixpunkt des Münchner Galeristenuniversums. Zu den wenigen eigenständigen Galerien, die sich hier noch halten, zählen Rieder, Spielvogel und Tanit sowie American Contemporary.

"Es gab dort keine Möglichkeiten mehr, weder räumlich noch finanziell", erzählt Fred Jahn, während er bestens gelaunt in der Baaderstraße sitzt. Denn Jahn ist zwar weg von der Maximilianstraße, dafür hat der mit dem Namen Jahn verbundene Standort im Gärtnerplatzviertel eine Erweiterung erfahren. "Jahn & Jahn" heißt die Doppelgalerie, die der 72-Jährige gemeinsam mit seinem 34 Jahre alten Sohn Matthias und dessen Kompagnon Tim Geissler als Marke etablieren will.

Schon 1986 hatte Jahn in der Baaderstraße 56 b parallel zur Maximilianstraße einen Ausstellungsraum, zeigte Arbeiten von Gerhard Richter, Isa Genzken oder auch Hermann Nitsch. "Das führte aber zu Unschärfen im Programm", erinnert sich Jahn. Zeitweilig wurde die Baaderstraße als Widmungsgalerie für die hiesige Szene genutzt, bis sie gegen Ende der Neunzigerjahre zum Lager umfunktioniert wurde und in einen "Dornröschenschlaf" fiel, wie Fred Jahn mit seinem typischen verschmitzten Lächeln sagt.

Aus diesem Dornröschenschlaf wurden die Räume vor neun Jahren gerissen, als sein Sohn Matthias dort seine eigene Galerie gründete und Arbeiten junger Künstler aus dem Umfeld seines früheren Professors an der Akademie der Bildenden Künste, Günther Förg, zeigte. Aus dem als Versuchsballon gestarteten Unterfangen Baaderstraße entwickelte sich alsbald eine feste Institution mit kontinuierlichem Programm, zu dem wenige später auch Tim Geissler stieß. Und bald wurde klar: Jahn und Jahn können nebeneinander existieren, aber eine engere Zusammenarbeit hätte auch eine Menge Synergieeffekte zur Folge, nicht nur im Hinblick auf Verwaltung und bei gemeinsamen Messeauftritten.

So suchten Vater und Sohn alsbald auch nach neuen Präsentationsmöglichkeiten in München. "Natürlich haben wir auch überlegt, ins Kunstareal zu gehen", erzählen sie, auch in der Briennerstraße habe man sich was angesehen. Und dann bot sich die Möglichkeit, die frei gewordenen Räume nebenan, in der Baaderstraße 56 c, zu mieten. Mit 360 Quadratmetern und ist die neue Galerie sogar noch größer als die bisherige. In deren 270 Quadratmetern auf zwei Stockwerken ist nun Fred Jahn eingezogen. Im lichtdurchfluteten Erdgeschoss können malerische und bildhauerische Positionen gezeigt werden. Im Tiefgeschoss hat Jahn ein "grafisches Schatzkästchen" eingerichtet, das auch räumlich sehr ansprechend ist. Nach umfangreichen Renovierungen laden unter anderem die handwerklich schön anmutenden Grafikschränke aus Holz dazu ein, in den Blättern zu stöbern. Matthias Jahn und Tim Geissler sind ein Haus weiter gezogen und wollen dort im Erdgeschoss ihr "zeitgenössisches Versuchslabor" etablieren. Im Tiefgeschoss hat nicht nur die über viele Jahre zusammengetragene Bibliothek von Fred Jahn Platz gefunden, sondern auch ein gemeinsamer Besprechungsraum, der auch mal als Showcase für kleine Formate genutzt werden kann.

Trotz der beiden getrennten Eingänge versteht sich "Jahn & Jahn" als ein Unternehmen. Künstlerische Grenzüberschreitungen, so stellen sie es sich jedenfalls im Moment vor, sollen nicht erzwungen werden, können aber stattfinden. Mehr noch aber will man versuchen, Strömungen von beiden Seiten aufzunehmen und einen künstlerischen Dialog im Zeitgenössischen zu etablieren. Dazu will man auch verstärkt mit Künstlern zusammenarbeiten, die schon früher bei Fred Jahn eine Heimat hatten.

Wer explizit zeitgenössische Malerei und Skulptur sehen will, ist bei Jahn junior richtig. Derzeit sind die hoch interessanten, bei einer Performance entstandenen Bildarbeiten sowie die filigranen Objekte aus der Serie "Macchia Aperta" von Pauline Beaudemont zu sehen, einer Werkgruppe, die während eines Rom-Aufenthalts der Schweizer Künstlerin entstanden ist. Wer auf Werke eine bestimmte Künstlergeneration und auf Papierarbeiten schwört, wird erst einmal bei Jahn senior einkehren. Zum Auftakt hatte Fred Jahn beispielsweise Zeichnungen von Imi Knoebel aus den Jahren 1972 bis 1974 präsentiert. Derzeit ist von Markus Lüpertz der Zyklus "Studien zu einer Skulptur" zu sehen. Es sind teils farbintensive Zeichnungen, die 2015 anlässlich einer Ausstellung im Berliner Bode Museum entstanden sind. Darin setzt sich Lüpertz mit der Skulptur des "Apollo" von Ludwig Münstermann aus dem 17. Jahrhundert auseinander und spannt den Bogen von der Figuration bis zur Abstraktion.

Fünf bis sechs Doppelausstellungen in beiden Galerien von Jahn & Jahn sind pro Jahr geplant. Dass die ruhig gelegenen Ausstellungsräume in einem Hinterhof des Gärtnerplatzviertels außerhalb irgendwelcher Events oder der Saisoneröffnung wie der Open Art am 8. September nicht mit Laufkundschaft rechnen kann, stört Fred Jahn ebenso wenig wie seinen Sohn. Ihm gefällt, dass die Besucher gezielt kommen. "Meine Kunden haben sich schnell auf die neue Situation eingestellt." So hat Fred Jahn zwar die Maximilianstraße verlassen, über die in Sachen Kunst eine Art Götterdämmerung heraufzuziehen scheint. Als Player bleibt er der Münchner Galeristenszene jedoch erhalten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: