Kunst:Frauenarbeit

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Rosemarie Trockel gestaltet das Restaurant des Düsseldorfer Malkastens: Gäste können jetzt auf 400 Quadratmeter Konzept-Auslegeware kleckern.

Von Michael Kohler

Als im Revolutionsjahr 1848 der Düsseldorfer "Verein für geselliges Künstlerleben" gegründet wurde, gaben ihm die Mitglieder den Namen Malkasten. Was heute eher nach einer Bierlaune klingt, war im preußischen Rheinland ein Akt des Widerstands: Es sollte im Verein so demokratisch zugehen wie zwischen den Farben der Malerei. Im Malkasten wurde dann auch die Gründung der ersten Berufsgenossenschaft für Künstler angeregt, für eine deutsche Nationalgalerie gestritten und die feindliche Übernahme der preußisch-konservativen Kunstakademie geplant. Legendär wurde der Künstlerverein jedoch mit seinen rauschenden Festen, und so lebt der Malkasten heute noch von der Erinnerung an Theater und Travestie. Nun wurde das Restaurant Lido im historischen Gebäude im Jacobipark neu gestaltet - von der Konzeptkünstlerin Rosemarie Trockel.

In den Achtzigerjahren wurde Trockel mit der ironischen Aneignung traditioneller Frauenarbeit berühmt, ihre maschinell gefertigten Strickbilder und in Betonsockel gegossenen Herdplatten sind moderne Klassiker. Bleibt die Küche des Malkastens also kalt? Das nicht, aber dafür kann man auf echte Trockel'sche Auslegeware kleckern, auf 400 Quadratmeter einer geometrisch-abstrakten Teppich-Komposition. An den Wänden findet sich eine Mischung aus Kunstzitat und Selbstzitat: Von den 60 im Lido aufgehängten Drucken stammt etwa ein Drittel, vor allem schwarzweiße Variationen von Herdplatten und Wimpeln, von Trockel selbst, die übrigen Prints sind Leihgaben befreundeter Künstler wie Richard Hamilton, Barbara Kruger, Leiko Ikemura und Walter Dahn. An den Wänden ist also für geselliges Künstlerleben gesorgt. Und damit das so bleibt, will Trockel die Wandmotive von Zeit zu Zeit austauschen. Gute Gastgeber dekorieren eben regelmäßig um. Und gute Künstlerinnen sowieso.

Mit ihrem Ausflug ins Ausstattungsgewerbe schlägt Rosemarie Trockel den nächsten Haken ihres an überraschenden Wendungen reichen Werks. Aus dem Trockel'schen Atelier kommen surreale Sitzbänke mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie klassische Tierbronzen, krakelige Zeichnungen und zerklüftete Keramiken, Duchamp'sche Ready-Mades und Jugendstil-Neonleuchten. Gemeinsam ist diesem Potpourri an Gattungen und Stilen der mit Bearbeitungen, Zitaten und Anspielungen gespickte Bezug zur modernen Tradition; Trockel ist darin so konsequent, als wolle sie die jüngere Kunstgeschichte mit Fußnoten noch einmal schreiben. Auch für das Restaurant im Malkasten gibt es historische Vorbilder, etwa den Speisesaal der Villa Stoclet mit Gustav Klimts Wandfries oder die Caféteria, die Tobias Rehberger 2010 im deutschen Pavillon der Biennale von Venedig installieren ließ. Was aufgetischt wurde, kümmerte die Künstler nicht. Vielleicht kommt es bei Trockel anders, denn Eat Art fehlt noch in ihrem Werk. Herdplatten an den Wänden und Kunst auf den Tellern.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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