Kunst:Faust holt den Goldenen Löwen

Biennale Arte 2017 in Venice, Italy - 13 May 2017

Anne Imhof präsentiert ihren Goldenen Löwen.

(Foto: Andrea Merola/EPA/REX/Shutterstock)

Die Biennale di Venezia zeichnet die Künstlerin Anne Imhof und ihren Kollegen Franz Erhard Walther mit je einem Goldenem Löwen aus, dem Hauptpreis dieser Überblicksausstellung zur modernen Kunst.

Von Catrin Lorch

Dass Anne Imhof, die in Venedig in diesem Jahr bei der 57. Biennale den deutschen Pavillon mit einem "Faust" bespielt, mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, war fast keine Überraschung. Ihr monumentales Werk wurde während der Vernissagentage als Favorit gehandelt. Doch bei der Verleihung gab es am Samstag dennoch eine Überraschung: Mit Franz Erhard Walther, der als bester Künstler der Ausstellung "Viva Arte Viva" geehrt wurde, hat Deutschland nun beide Hauptpreise erhalten und muss als eines der erfolgreichsten Länder überhaupt in der Geschichte der Weltkunstschau gelten.

Zu Beginn der Verleihung sagte Carolee Schneemann, die 77-jährige Amerikanerin wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet: Um so weit zu kommen brauche es Beharren, Stehvermögen und Sturheit. Verglichen damit entfaltete sich die Karriere der im Jahr 1978 in Gießen geborenen Anne Imhof im Schnelldurchlauf. Als die Kuratorin Susanne Pfeffer die Künstlerin nominierte, war ihr Werk - eine situative, theatralische Performance-Kunst - noch wenigen bekannt, erst vor zwei Jahren war sie mit dem Preis der Nationalgalerie in Berlin ausgezeichnet worden. Danach allerdings avancierte sie zum Star der Szene, vor allem mit ihrer auch als Oper apostrophierten Reihe "Angst", die in Basel, Berlin und Montreal gegeben wurde.

Imhof, die selbst mit einer Band auftrat und auch Boxkämpfe inszenierte, weist allerdings stets darauf hin, dass sie Malerin und keine Performerin ist, und dass sie ihre Kunst auch nicht als Theater missverstanden sehen will. Immer gehe es um die Komposition von Bildern, egal ob sie mit einem ganzen Trupp von Akteuren arbeite oder eine Leinwand aufteile. Die Kuratorin des deutschen Pavillons Susanne Pfeffer, sagt, sie schätze die große Sensibilität dieses Werks. Weniger als ein Dutzend Künstlerinnen waren bislang überhaupt eingeladen, Deutschland in Venedig zu vertreten, Anne Imhof ist die erste, deren Auftritt mit einem Löwen belohnt wurde.

"Faust" ist allerdings auch unübersehbar - nicht nur, weil die Mitwirkenden der Performance, die Tänzer und Sänger, zeitweise über die Fassade und auf dem Dach herumklettern, so, als müssten sie das wuchtige NS-Gebäude erobern. Neben den Säulen sind Zwinger installiert in denen Dobermänner den Wachhund geben, drinnen wurde ein gläserner zweiter Boden eingezogen, die Akteure spielen auch unter den Füßen der Besucher. Schon weil Podeste, Sicherheitsgurte, Wasserschläuche und Handtücher, die zur Installation gehören, während der fünf Stunden dauernden Aufführung irgendwann benutzt werden, wirken auch die großen Gemälde auf den Wänden und der Fassade wie Werbebanner oder Kulissen. Das Kunstobjekt hat sich dem Augenblick der Aufführung unterzuordnen. Während der Eröffnungstage wurde "Faust" in der kühlen, gewaltigen Installation täglich aufgeführt, während der Laufzeit der Biennale sollen immer wieder Teile daraus gezeigt werden.

Anne Imhof dankte in ihrer Ansprache nicht nur ihren Mitarbeitern ("Wenn das Stück Sie bewegt, dann sind sie es, die Sie bewegen"), sondern auch der mitwirkenden Eliza Douglas, ihrer Partnerin. Sie wies auf eine politische Lesart ihres Werks hin, dass für eine Zukunft stehe, in der es "ein Recht darauf gibt, anders zu sein" und in der man immer häufiger entscheiden müsse, "wofür man aufsteht und wann man die Faust hebt".

Der Goldene Löwe für den im Jahr 1939 geborene Franz Erhard Walther, der in Fulda lebt und arbeitet, war dagegen eine echte Überraschung. Dabei gilt er seit Jahrzehnten als einer der einflussreichsten deutschen Künstler überhaupt, sein Werk wurde auf der Documenta gezeigt und im Museum of Modern Art. Franz Erhard Walther, dessen Biografie mit einem "Modellierkurs im elterlichen (Bäckerei-)Betrieb" einsetzt, hat den Begriff vom "Werk als Handlung" in die Kunst eingeführt und zudem als Professor in Hamburg eine Generation von Künstlern geprägt, darunter Martin Kippenberger, John Bock und Jonathan Meese.

In der Ausstellung "Viva Arte Viva" sind von ihm Skulpturen wie "Wall Formation Yellow Modeling" aus festem Baumwollstoff zu sehen, die sogar in den hohen ehemaligen Werftgebäuden der Arsenale bis fast unter die Decke reichen. Dennoch ist sein Werk, was Pathos und Autorität angeht, eher schlank: Bei der Verleihung des Löwen lud er das Publikum noch einmal nachdrücklich ein, die Skulpturen nicht nur zu betrachten, sondern auch zu betreten: "Sie können so Teil des Kunstwerks werden."

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