Kunst:Eros als Erzieher

Berlin Babylon, in der Originalfassung: In ihrer Geburtsstadt wird die Künstlerin Jeanne Mammen nun in der Berlinischen Galerie mit einer großen Retrospektive gefeiert - nicht nur mit den bekannten Bildern.

Von Peter Richter

Die Orte, die später mal nach ihnen benannt werden, können sich Künstler nicht aussuchen. Jeanne Mammen hat in Berlin einen kleinen Fußweg entlang der S-Bahn-Trasse am Savignyplatz abgekommen. Ist das angemessen im Vergleich zu den Kollegen, an denen sie auch immer ihre Arbeit hatte messen lassen müssen, George Grosz zum Beispiel oder Otto Dix? Grosz darf sich heute über eine mutig als Platz bezeichnete Straßenecke am teuersten Abschnitt des Kurfürstendamms freuen und über ein Lokal mit seinem Namen, in dem die dort zum Power-Lunch versammelten Macher und Makler und Louis-Vuitton-Russinnen ihm vermutlich auch heute noch Material für seine Kapitalisten-Karikaturen böten. Artig, grün und verkehrsberuhigt liegt dagegen die Otto-Dix-Straße mit ihren Siebzigerjahre-Neubauten in Moabit, aber Dix hatte ja auch nur zwischendurch mal zwei Jahre in Berlin verbracht. Jeanne Mammen war in der Stadt sogar geboren worden. Trotzdem wird sie im Alter zu Protokoll geben, in "destruktiver Opposition" zu ihr zu leben, sich mit ihr "niemals versöhnt" zu haben, sie "heute noch scheußlich" zu finden: "Wenn ich auf den Ku'damm gehe, muss ich kotzen. Die ganze Art der Leute ist mir fremd."

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