Kunst:Empfindliches, Seltenes, Unbekanntes

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Anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Pin, dem Förderverein der Pinakothek der Moderne, stellt die Graphische Sammlung in München zum Teil nie gesehene Preziosen aus

Von Jürgen Moises

Für Michael Semff war es "pures Museumsglück", was er in den vergangenen 15 Jahren als Leiter der Staatlichen Graphischen Sammlung in München erlebt hat. Was er damit meint, ist eine ganz besondere Konstellation, in der "die Passion der Kuratoren und die Chancen der Realisierung durch Pin mit der Großzügigkeit der Künstler" oder ihrer Erben zusammenfielen und zu einem "wahren Goldregen" an Neuerwerbungen für die Graphische Sammlung führten. Dieses "Museumsglück" fiel nicht vom Himmel, sondern ist eng mit dem 50. Jubiläum von Pin, den Freunden der Pinakothek der Moderne, verknüpft, das aktuell in der Pinakothek der Moderne gefeiert wird: seit Juli mit der Ausstellung "A Perfect Match" in der Sammlung Moderne Kunst, und seit Mittwoch mit einer kleinen, aber feinen Auswahl an Werken aus der Graphischen Sammlung.

Weit mehr als 1000 Werke konnten seit der Gründung des Galerie-Vereins, wie der Förderverein bis zur Eröffnung der Pinakothek der Moderne im Jahr 2002 hieß, mit dessen Hilfe für die Graphische Sammlung erworben werden. Allein in den vergangenen 25 Jahren wurden 651 Arbeiten erstanden. Rund 50 herausragende Beispiele dafür sind in der Ausstellung zu sehen, ergänzt durch ausgewählte, im Vitrinengang präsentierte Werke, die im Gründungsjahr 1965 entstanden sind.

Ein aus kunsthistorischer Sicht äußerst bewegtes Jahr war das, geprägt von teilweise sehr gegensätzlichen Ansichten und Stilen wie Pop Art, Fluxus oder Arte Povera. Und für einen "Galerie-Verein", der sich für zeitgenössische Kunst aus Europa und Amerika begeisterte, durchaus kein leichtes Jahr. Denn die Neue Pinakothek, die Neue Staatsgalerie und die Staatliche Graphische Sammlung, die man mit gezielten Ankäufen fördern wollte, waren an zeitgenössischer Kunst nur wenig interessiert.

Zu den Künstlern, die dieses Geburtsjahr repräsentieren, gehören bekannte Namen wie Georg Baselitz, Claes Oldenburg, Roy Lichtenstein oder Eduardo Chillida, aber auch heute weniger geläufige wie der amerikanische "Postminimalist" Gary Kuehn oder der vom Informel geprägte Guiseppe Santomaso. Auch bei der Auswahl der Werke, die zwischen 1991 und 2015 erworben wurden, hat die Kuratorin Birgitta Heid klugerweise nicht nur auf publikumswirksame Namen wie Joseph Beuys, Louise Bourgeois, Gerhard Richter, Fred Sandback oder Andy Warhol gesetzt. Sondern auch hier sind mit Charline von Heyl, Brice Marden oder Edda Renouf vergleichsweise unbekannte Künstler vertreten. Einige Blätter wie die monumentale, 180 mal 306 Zentimeter große Zeichnung von Norbert Prangenberg, die 56 collagierten Entwürfe Imi Knoebels für die Serie "Rot-Weiß" oder ein Werkblock mit Zeichnungen von Thomas Scheibitz sind sogar zum ersten Mal für eine breitere Öffentlichkeit zu sehen.

Auch die sehr stillen, subtil den künstlerischen Prozess thematisierenden "Seven Aquatints" von Robert Ryman waren bisher nur selten ausgestellt, da sie genauso wie etwa die Kartons aus Alighiero e Boettis Mappenwerk "Insicuro Noncurante" sehr empfindlich sind. Alle Arbeiten zusammen machen zum einen die allgemeine kunsthistorisch Bedeutung der langjährigen Zusammenarbeit zwischen der Graphischen Sammlung und dem Förderverein Pin deutlich, zu der neben dem Erwerb seit Längerem auch die gemeinsame Verwirklichung von Ausstellungsprojekten gehört. Zum anderen stehen die ausgesuchten Werke aber auch für individuelle Sammelleidenschaften: sowohl diejenigen der jeweiligen Sammlungsleiter wie Tilman Falk oder Michael Semff, als auch diejenigen prägender Sammler-Figuren innerhalb des Pin.

Dazu zählen neben prominenten Gründungsmitgliedern wie Prinz Franz von Bayern und Walter Bareiss auch Ursula und Christof Engelhorn, die unter anderem die 92 Blätter umfassende Arbeit "Words which can hear" von Joseph Beuys für die Sammlung erwarben. Zu diesem Erwerb gibt es im Text "Museumsglück" von Michael Semff im Ausstellungskatalog "A Perfect Match" eine schöne Anekdote. So wurden die Blätter angeblich "ohne vorherige Ankündigung" einfach in einer großen Kiste abgegeben, "ohne Absender und ohne Begleitbrief". Was dazu führte, das diese erst einmal ungeöffnet im Depot blieb. Erst als sich Christof Engelhorn ein paar Wochen später nach deren Verbleib erkundigte und fragte, ob "die Sachen" denn interessant wären, war klar, welchen Schatz die scheinbar herrenlose Kiste barg. Auch dieser "mit enthusiastischen Reaktionen" aufgenommene Schatz ist nun zur Freude aller in der Pinakothek zu sehen.

50 Jahre PIN. Eine Auswahl aus der Staatlichen Graphischen Sammlung München , Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, bis 10. Januar, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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