Kunst:Stilles Örtchen aus purem Gold

Der Italiener Maurizio Cattelan installiert im New Yorker Guggenheim Museum eine goldene Toilette - und narrt die Kunstwelt. Warum? Wegen des Spektakels.

Kommentar von Catrin Lorch

Der Künstler Maurizio Cattelan hat pures 18-karätiges Gold in die Form einer Toilettenschüssel gegossen. Fest installiert findet man sie im Guggenheim Museum, aber nicht in den Schausälen, sondern im Waschraum auf der fünften Etage, frei zugänglich für jedermann seit dem vergangenen Freitag.

Er hoffe, sagt Cattelan, dass die Öffentlichkeit seine neue Skulptur nicht als Witz verstehen werde. Aber was gibt es da schon groß zu verstehen, fragt sich die Öffentlichkeit, die vorab vorgelassen wurde in Gestalt eines Journalisten der New York Times, Randy Kennedy. Der tat, was im Werk angelegt ist und pinkelte drauf. Klingt nicht lustig? War es offensichtlich auch nicht. Kennedy zeigte sich beeindruckt, titelte "Der Thron ist angekommen" und schrieb, man müsse die Plastik als "eine Art Geschenk an die Museumsbesucher" verstehen, als "seltene Gelegenheit", im Privaten so viel Zeit mit etwas zu verbringen, das "so schön ist, dass es schwer ist zu glauben, es sei real".

Kunst: Ganz und gar aus Gold: "Der Thron ist angekommen", titelte die New York Times.

Ganz und gar aus Gold: "Der Thron ist angekommen", titelte die New York Times.

(Foto: Kristopher McKay/AP)

Der neue Cattelan ist zweifellos eines dieser Werke, die auch jenseits der intellektuellen Debatten Furore machen werden. Wie auch schon andere Arbeiten des 1960 geborenen Italieners. Sein puppenkleiner, betender Hitler. Die originalgroße und sehr lebensechte Figur von Papst Johannes Paul II., die so auf dem Boden arrangiert war, als habe sie ein Meteorit getroffen. Cattelan hat dem Sammler Peter Brant sogar eine Kopie seiner eigenen Frau verkauft; die Büste des Models Stephanie Seymour war brustaufwärts so auf eine Holzscheibe montiert, dass man sie an die Wand hängen und "Trophy Wife" drunter schreiben konnte, ein Titel, der ungefähr so bedeutend ist, wie die schnelle Zeile unter einem Cartoon. So was geht auch im Tabloid-Format. Einer wie Cattelan zehrt nicht nur davon, dass er lustig ist, sondern davon, dass er auch die Sphären von Museum und Kunst und Entertainment tüchtig aufmischt.

Während sich die Öffentlichkeit über die Albernheiten freut oder schockiert zeigt, sind Künstler meist klug genug, auch die Szene mit Verweisen zu unterhalten. Marcel Duchamp schickte einst ein umgedrehtes Urinal zu einer Ausstellung der Society of Independant Artists in New York ein und wurde erwartungsgemäß abgelehnt, klar, er wollte provozieren. Wie auch Piero Manzoni, der seine "Merda d'artista", den Kot des Künstlers, in Dosen füllte. Doch die damaligen Aktionen hatten den propagandistischen Wert einer Flaschenpost. Sogar Andy Warhol, der die von ihm bepissten Metalltafeln wie sehr gestischen Expressionismus hängte, ging es um mehr als den kurzen Moment, in dem man Fäkalien und Museum zusammenbringt, es ging um eine Erweiterung der Kunst.

Werterhalt statt Entwertung - dafür ist nun aber umgekehrt das Werk des so nihilistisch auftretenden Cattelan selbst Beweis. Öffentlichkeitswirksam hatte er sich nach seiner letzten Retrospektive verabschiedet, doch auch wenn Sammler auf Auktionen noch Millionenbeträge für echte Cattelans hinlegten, wurde die Kunstszene schmallippig, fast still, wo es um ihn ging. Jetzt will er wenigstens im Gerede bleiben. Gut, wenn auf das Skandälchen um "America" - so heißt das goldene WC im Guggenheim - also womöglich noch der Skandal folgt. Amerika? Jawohl. Der Titel wird sicher Aufregung verursachen in einem Land, in dem sogar die korrekte Anbringung der Nationalflagge von gesetzlichen Bestimmungen geregelt wird.

Cattelan hat aus der Kunst zumindest eines im Kopf behalten: Dass Andy Warhol jedem Menschen im Medienzeitalter fünf Minuten Ruhm prophezeit hat. Die will er sich abholen, alle paar Jahre erneut.

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