Kunst:Drauftreten - oder nicht?

Eine Retrospektive von Carl Andre stellt auch die Frage, ob man das Werk in Haftung nehmen muss für die Biografie des Künstlers. Die Berliner Schau ist bedeutend. Und zeigt: Er ist gar nicht die entscheidende Größe.

Von Catrin Lorch

New York in den Sechzigern, das ist eine Stadt, wo sich Männer knapp zunicken, die gerade Bilder tiefschwarz malen oder noch ein paar Metallstücke zusägen - für Kunstwerke, die abends in Max Kansas City Bar an der Lower Park Avenue zur Bezahlung des Deckels durchgehen. Wo einer wie Carl Andre in seinem dunkelblauen Arbeiteroverall deutscher Fertigung seine Abneigung gegen Pop Art ("Parasitäre Umarmung der bürgerlichen Kultur") nur leise knurren muss, damit Andy Wahrhol das auch deutlich mitkriegt, der mit seiner Entourage weiter hinten im Restaurant einen Stammtisch hat. Es ist ein Kontext, in dem Kunst als Kräftemessen verhandelt wird. Eines der schönsten Fotos zeigt den jungen Carl Andre gemeinsam mit Robert Smithson beim Armdrücken: Man schlug sich und vertrug sich zwischen Village und Park Avenue, und den Rest besorgte die Kunstgeschichte. Carl Andre, einer der Erfinder des Minimalismus, war einer der ganz Großen. Dennoch: kaum einer kennt sein Werk. Eine Gelegenheit, es zu erleben, gibt jetzt eine Ausstellung in Berlin, "Sculpture as Place" - es ist eine der schönsten des Sommers.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: