Kunst:Die verletzte Skulptur

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Wer repariert, sucht das Vergessen: Der Bildhauer Kader Attia überprüft in seiner Schau in Frankfurt den westlichen Rationalismus.

Von Till Briegleb

Gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen dem westlichen Denken und der restlichen Welt, der sich auf die Naht bezieht? Kader Attia, der sich in seiner Kunst seit rund 15 Jahren mit dem Phänomen der "Reparaturen" befasst, ist der Überzeugung, dass die Moderne grundsätzlich versucht, Schadstellen unsichtbar zu machen. Reparieren bestehe im Westen aus Renovieren, also in dem Versuch, das Lädierte wie neu aussehen zu lassen - um damit die Vergangenheit der Dinge auszulöschen. Afrikanische, asiatische oder ur-amerikanische Reparaturpsychologie dagegen kenne eine Verleugnung der Verletzung erst seit dem Kolonialismus. Ursprünglich sei der Schaden dort Teil der Geschichte des Objektes und des Körpers und müsse deswegen sichtbar bleiben wie eine Narbe - oder werde als Zeichen geradezu ausgestellt, wie im japanischen Kintsugi-Ritual, das Sprünge im Teegeschirr mit goldhaltigem Kitt hervorhebt. Im Gegensatz zur westlichen Amnesie der Verletzungen und des Verfalls sei dieses Denken auf die Beziehung von Zerstörung und Rettung als sich bedingende Faktoren ausgerichtet.

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