Kunst:Der zerrüttete Mann

Georg Baselitz schuf mit seiner "Helden"-Serie in den Sechzigern das Porträt einer Generation. Jetzt zeigt das Frankfurter Städel die Gemälde, die heute wieder besonders aktuell wirken.

Von Gottfried Knapp

Eine ähnlich trotzig entschlossene Hinwendung zu einem einzigen Bildmotiv dürfte es in der Geschichte der Malerei kaum je gegeben haben. Ein Maler, der bis dahin in jedem Bild neue Themen angeschlagen und neue Wirkungsmittel erprobt hat, sieht plötzlich die Möglichkeit, an einem einmal erarbeiteten Motiv seine Kunst auf dem erreichten Niveau weiterzuentwickeln. Er hat eine humane Figur geschaffen, die in ihrer Gebrochenheit und ihrer provozierenden Präsenz sehr viel von dem zu verkörpern scheint, was er zuvor mit krassen Verzerrungen und Tierfratzen zum Ausdruck bringen wollte. Ja in diesem männlichen Prototypen scheinen sich die Widersprüche einer ganzen Generation zu verdichten. Der Maler lässt sich also in einen Schaffensrausch hineinreißen. Innerhalb weniger Monate erarbeitet er ein Riesenwerk von fast bestürzender Eigensinnigkeit und gleichzeitig schönster malerischer Freiheit. Wer dieses Werk in seinen fast monströsen Dimensionen erlebt - im Frankfurter Städel sind 70 Gemälde und Papierarbeiten großzügig über die beiden Stockwerke des Anbaus verteilt -, der wird die Macht dieses Bilderstroms auf physisch direkte Art zu spüren bekommen.

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