Kunst:Das Kirchen-Instrument

DEU Deutschland Nordrhein Westfalen Münster 16 06 2018 Pressekonferenz anlässlich der Fertigst

Gerhard Richter von seinem neuen Werk in Münster.

(Foto: imago/Rüdiger Wölk)

Der Künstler Gerhard Richter schenkt der Stadt Münster ein Werk und lässt es in einer aufgegebenen Barockkirche aufbauen.

Von Catrin Lorch

Gerhard Richter, dessen Glasfenster im Kölner Dom eines der prominentesten Werke zeitgenössischer Kunst in Deutschland sind, hat erneut eine Arbeit in einer Kirche installiert. Am Sonntag übergab er sein Werk "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" in Münster der Öffentlichkeit. Es ist ein Pendel aus einer 48 Kilogramm schweren Kugel, die an einem 29 Meter langen Seil vor vier grauen Glaspaneelen gleichmäßig unter der Vierungskuppel der Dominikanerkirche schwingt, dort, wo einst der Altar stand.

Der Künstler verwandelt damit die aufgegebene Barockkirche in ein physikalisches Instrument. Das an einem Punkt aufgehängte Pendel nach dem Entwurf des Physikers Léon Foucault aus dem Jahr 1851 macht die Rotation der Erde sichtbar. Nachdem die Abstraktion des aus Tausenden farbigen Quadraten zusammengesetzte Glasfensters im Kölner Dom kühl von einem Zufallsgenerator berechnet wurde, huldigt der Künstler mit diesem jüngsten Entwurf der Wissenschaft, die sichtbar in der barocken Kirche triumphieren darf. Gerhard Richter kommentierte allerdings zunächst nicht die Lesart dieser gewaltigen Installation, sondern freute sich, dass sie funktionierte: "Wenn es schiefgegangen wäre, dann wäre das peinlich gewesen." Die Schenkung war auf Initiative des mit dem Künstler befreundeten Kurators Kasper König nach Münster geholt worden. Richter, der als bedeutendster lebender Künstler gilt und dessen Gemälde in den vergangenen Jahren auf Auktionen für zweistellige Millionensummen verkauft wurden, hat der Stadt das Werk geschenkt, sie musste allein für die Kosten für Konstruktion und Installation in Höhe von 600 000 Euro aufkommen. Darauf angesprochen, ob er nun weitere Projekte für Kirchen plane, sagte der sichtlich zufriedene 86-Jährige: "Ich bin jetzt etwas zu alt, aber ich hätte nichts dagegen."

Die Ruhe, die von diesem Werk ausgeht, war sogar an den Eröffnungstagen frappierend. In Münster braucht das Pendel gut 30 Stunden, bis es den Weg über den steinernen Kreis zurückgelegt und so die Rotation der Erde nachgezeichnet hat. Dieses gewaltige Instrument zeigt so weniger die Position an oder navigiert wie ein Kompass oder eine Uhr durch Zeit und Raum, die sanftgrauen Paneele - die Glas- und Spiegelarbeiten des Künstlers zitieren - zeichnen die größte Bewegung überhaupt nach, die der Erdkugel.

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