Kunst:Blick in die Vergangenheit

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Erwerbungen des Stadtmuseums im Nationalsozialismus

Von Evelyn Vogel, München

Es ist nicht nur ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Erforschung der Sammlung. Es ist auch ein wichtiges Kapitel in der Aufarbeitung der hauseigenen Geschichte, das das Münchner Stadtmuseum mit der Ausstellung "Ehem. jüdischer Besitz" zu den Erwerbungen im Nationalsozialismus nun aufschlägt. Es liegt nahe zu sagen: endlich aufschlägt. Dabei ist das Stadtmuseum das erste der Münchner Häuser, das die eigene Verstrickung in die Enteignungs- und Verfolgungspolitik des NS-Systems systematisch erforscht.

Dazu hat die Provenienzforscherin Vanessa Voigt im Zuge eines 2015 abgeschlossenen vierjährigen Projekts die Ankaufspolitik des Stadtmuseums in den Jahren von 1933 bis 1945 untersucht. Der "Zuwachs" in dieser Zeit war enorm: etwa 20 000 Objekte, darunter Gemälde, Grafiken, Musikinstrumente, Marionetten, Mode, Textilien, Tafelsilber und Möbel. Zu Spottpreisen konnte sich das Stadtmuseum in vier Phasen der Entrechtung jüdischer Besitzer unzählige Alltagsgegenstände von Privatpersonen und Geschäftsleuten einverleiben. Ob "freiwillig", um die Flucht zu finanzieren, und unter Zwang, wegen der unmittelbar bevorstehenden Enteignung - von Verkäufen zu handelsüblichen Preisen konnte nur selten die Rede sein. Und als nach Zwangsarisierung und Pogromen dann die völlige Entrechtung, Deportation und Ermordung erfolgte, riss man sich unter den Nagel, wessen man habhaft werden konnte. Und argumentierte nach 1945 - wie Museumsdirektor Konrad Schießl, der alsbald wieder auf seinem Posten war - auch noch perfide, man habe die Dinge vor Verlust und Vernichtung gerettet.

Die meisten Objekte werden zu Beginn der Ausstellung wie in gläsernen Depotschauschränken präsentiert und mit Hilfe von Begleittexten historisch eingeordnet. Der weitere Verlauf der Ausstellung gibt Einblicke in die Baugeschichte des Hauses und in familiäre Einzelschicksale, erläutert einige Umstände zu NS-bedingt entzogenem Kulturgut, stellt aber auch etliche Fragen. Reichlich Stoff für die neu bestellte Provenienzforscherin des Stadtmuseums, Regina Prinz.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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