Kunst:Abschied von München

Mit der Malereiausstellung von Norbert Tadeusz schließt die Galerie Bernheimer in der Brienner Straße

Von Evelyn Vogel

Diese Farben! Rot, rosa, lila, orange. Farben der Wollust. Das ist das Erste, das man nicht nur sieht, sondern fast schon körperlich empfindet, wenn man inmitten der aktuellen Ausstellung mit Malerei von Norbert Tadeusz in der Galerie Bernheimer steht. Eine Ausstellung, die - nach der Lüpertz-Schau im Frühjahr - die zweite gemeinsam organisierte Ausstellung von Konrad Bernheimer und Fred Jahn ist und zugleich den Abschied von Bernheimers "Fine Old Masters" und "Fine Art Photography" aus den Galerieräumen an der Brienner Straße darstellt.

Konrad Bernheimer zieht sich mit seinen Alten Meistern auf den Standort London zurück, wo er seit 2002 parallel zu Bernheimer München die Gemäldegalerie Colnaghi besitzt. Seine Tochter Blanca, die vor zehn Jahren in der Brienner Straße begonnen hat, Klassiker der Schwarz-Weiß-Fotografie des 20. Jahrhunderts und junge, zeitgenössische Fotografen zu präsentieren, will sich verstärkt auf den Standort Luzern konzentrieren, wo sie vor knapp zwei Jahren eine Galerie eröffnet hat. Sie will zwar "weiterhin in München sichtbar bleiben", wie sie gegenüber der SZ erklärte, aber wie genau das aussehen soll, darüber spricht sie im Moment noch nicht. In jedem Fall stellt der Rückzug Bernheimers einen Einschnitt im Münchner Kunstleben dar.

Doch zurück zu der Abschiedsausstellung und Norbert Tadeusz. Es sind nicht nur die Farben, die den Betrachter so gefangen nehmen. Es sind auch die Formate und Formen, welche die schönen Räume im ersten Stock der Brienner Straße mit Blick auf den Wittelsbacherplatz ganz und gar ausfüllen. Weibliche Akte, stehend, hingegossen, seltsam verrenkt, fast wie in Yoga-Haltung. Feuerbilder, drinnen und draußen, züngelnd, lodernd. Pferd und Reiter im Galopp, stürzend, sich umschlingend, durcheinanderwirbelnd, fast zirzensisch. Iris-Blüten, deren Körperlichkeit eine so ungeheure Präsenz entwickelt, dass man sie unweigerlich mit den Akten zusammenbringen will.

Das alles dargestellt aus einem oft verzerrten Blickwinkel, mit seltsamer Aufsicht auf den Körper, in extreme Licht- und Schattenverhältnisse getaucht und aus unwirklichen Perspektiven heraus. Da steht Tadeusz auf einem Stuhl - man sieht noch die Ecke mit seinen nackten Füßen darauf - am Boden ein gekrümmter weiblicher Akt, der surreal klein wirkt. Und dann über allem dieser streng geometrische Schattenwurf. Oder die merkwürdigen Fensterausschnitte, die wie zufällig gewählten Raumaufteilungen. Da denkt man mitunter an Francis Bacon oder Lucian Freud. Interessant auch der Gegensatz zwischen den Bildern mit den wollüstig ausgemalten Formen einerseits und den Arbeiten, in denen sich Malerei und Zeichnung so offen begegnen, dass man fast irritiert ist.

Aber die Zeichnung war auch immer ein wichtiger Bestandteil im Werk des Düsseldorfer Malers Norbert Tadeusz, wie Fred Jahn immer wieder in seinen Galerieausstellungen zeigte. Dabei zählte Tadeusz, der 2011 starb, in den 1960er Jahren mit zu den ersten Meisterschülern von Joseph Beuys. Dann aber verabschiedete er sich von dessen Kunstauffassung und entschied sich für eine Malerei, mit der er sich eher auf die klassische Tradition italienischer und flämischer Meister bezog oder an die Interieur eines Edward Hopper erinnerte, dies alles aber auch durch seinen speziellen Zugang neu interpretierte.

Bei der Auswahl wollten sich Konrad Bernheimer und Fred Jahn bewusst auf eine sehr gestische, sehr farbintensive Malerei konzentrieren. So sind nun mehr als 30 mittel- bis großformatige Arbeiten von Norbert Tadeusz zu sehen, einige davon hat Jahn erstmals aus dem Atelier hervorgezogen. Wie sie nun die Bernheimerschen Galerieräume zum Abschied aus München mit Farbe erfüllen, ja, einen Link darstellen zwischen den Alten Meistern, die hier zu Hause waren, und dem zeitgenössischen Moment, das von Blanca Bernheimer hereingetragen worden war, das ist schön, das ist prachtvoll und dem Anlass durchaus angemessen.

Norbert Tadeusz - Malerei. Werke aus der Schaffenszeit von 1969 bis 2009. Galerie Bernheimer, Brienner Str. 7, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr, bis 21. November

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