Kulturzerstörung:Das Ende von Sankt Elias

2500 Quadratmeter grauer Schutt: IS-Terroristen haben das älteste christliche Kloster im Irak dem Erdboden gleichgemacht.

Von Paul-Anton Krüger

Die Satellitenbilder lassen keinen Zweifel: Es ist nichts geblieben, außer einem 2500 Quadratmeter großen Feld grauen Schutts und Spuren von Bulldozern. Früher stand hier das älteste christliche Kloster im Irak, Sankt Elias. Die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates haben auch diese historische Stätte geschleift, ein wichtiges Zeugnis der langen christlichen Tradition im Irak. Ein assyrischer Mönch, Mar Elia, der aus der heutigen Türkei kam, soll das Kloster Ende des 6. Jahrhunderts auf einem Hügel über dem Tigris-Tal nahe Mossul gegründet haben. Später ging das Kloster, das im Quadrat um einen Innenhof angelegt ist, an einen Orden der mit Rom unierten chaldäisch-katholischen Kirche über.

Anders als bei der Zerstörung der nahegelegenen altorientalischen Ruinenstadt Nimrud oder der Tempel von Hatra weiter westlich in der Provinz Ninive haben die Terroristen kein Propagandavideo verbreitet und auch sonst keine Informationen. Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press beschafften sich die Satellitenbilder von einem kommerziellen Anbieter in den USA, Digital-Globe, aus dessen Archiv jedermann Aufnahmen bestellen kann.

Ein von der Agentur mit der Auswertung beauftragter Analyst konnte die Zerstörung auf den Zeitraum zwischen dem 27. August und dem 28. September 2014 datieren - kurz nachdem die Dschihadisten im Juni Mossul und Teile des Iraks von der fliehenden irakischen Armee erobert hatte. Es war bereits befürchtet worden, dass auch dieses Kloster in Mitleidenschaft gezogen worden war. Zuvor nämlich hatte der IS in der Region, die seit vielen Jahrhunderten auch Siedlungsgebiet einer christlichen Minderheit war, etwa 100 Kirchen und andere Gebäude mit religiösen Funktionen zerstört und viele Christen vertrieben.

Kulturzerstörung: Der Ostergottesdienst der amerikanischen Soldaten in Sankt Elias auf dem Bild liegt gut zehn Jahre zurück. Heute ist vom Kloster keine Spur mehr.

Der Ostergottesdienst der amerikanischen Soldaten in Sankt Elias auf dem Bild liegt gut zehn Jahre zurück. Heute ist vom Kloster keine Spur mehr.

(Foto: Mary Prophit/AP)

Eine unabhängige Bestätigung war bislang allerdings nicht möglich, weil die Terrortruppe die Gegend weiterhin kontrolliert. Die Nutzung kommerzieller Satellitenbilder zeigt aber eine Möglichkeit, das Schicksal kulturell oder historisch bedeutsamer Stätten in unzugänglichen Gebieten zu dokumentieren. Auch kleine Kamera-Drohnen wurden dafür bereits eingesetzt.

Ein katholischer Priester aus Mossul, Paul Thabit Habit, der nach Erbil geflohen ist, sagte AP: "Unsere christliche Geschichte in Mossul wird auf barbarische Weise ausgelöscht. Wir sehen das als Versuch, uns aus dem Irak zu vertreiben, zu vernichten und unsere Existenz in diesem Land auszulöschen." Von den einst 1,3 Millionen Christen im Irak sind seit 2003 eine Million aus dem Land geflohen. Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa warf dem IS vor, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Nach dem US-Einmarsch quartierten sich hier Soldaten ein und bekritzelten die Wände

Das Kloster war vor seiner Zerstörung nicht in bestem Zustand, sollte aber restauriert werden, bevor der IS die Gegend einnahm. Es lag zu Zeiten Saddam Husseins auf einem Militärstützpunkt; nach der Invasion 2003 rückte dort die US-Armee ein. Die Außenmauern wurden durch Kampfhandlungen beschädigt, auch bekritzelten Soldaten Wände und malten das Abzeichen ihrer Einheit auf einen Türsims, bis ein Militärpfarrer die historische Bedeutung des Komplexes erkannte - und begriff, dass die 101. Luftlandedivision unter General David Petraeus in einem Kloster Quartier genommen hatte.

Die Amerikaner räumten das Gebäude und machten sich daran, die Ruine so gut wie möglich zu bewahren. 26 Räume des Klosters waren noch erhalten, ebenso das Mittelschiff der Klosterkirche aus dem 11. Jahrhundert sowie ein Taufbecken und der Altar. Fotos aus dieser Zeit zeigen, dass etliche Räume schon im Zustand fortgeschrittenen Verfalls waren, von anderen waren aber zumindest die Grundmauern leidlich gut erhalten. Pioniere bauten ein provisorisches Dach, um die Kirche zu schützen, in der amerikanische Militärgeistliche Gottesdienste für Soldaten hielten. Zudem hatten sie das Gelände vermessen und topografisch untersucht. Terrassen in den umliegenden Hügeln zeugen davon, dass die Mönche einst Landwirtschaft betrieben haben, um das Kloster zu unterhalten. Ein Artikel über die Arbeiten findet sich im Smithsonian Magazine. Der Autor, James Foley, ist einer der Journalisten, die von den Terroristen enthauptet wurden.

Das Kloster hat schwere Zeiten hinter sich, seit Langem schon. Im Jahr 1743 war es schwer beschädigt worden, als persische Truppen die Gegend eroberten. Ihr Kommandeur forderte die Mönche auf, zum Islam zu konvertieren. Als sie sich weigerten, sollen 150 von ihnen massakriert worden sein. Das Kloster blieb aber als Pilgerstätte erhalten, an der sich Christen vor allem zum Festtag des als Heiligen verehrten Mönchs Mar Elia Ende November einfanden. Bis jetzt.

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