Kulturskandal:Vom Verschwinden des Verschwundenen

Kulturskandal: Flavio Tosi, der Bürgermeister von Verona, fliegt am 21. Dezember nach Kiew, um siebzehn Gemälde abzuholen, die im November 2015 aus dem "Museo di Castelvecchio" gestohlen wurden.

Flavio Tosi, der Bürgermeister von Verona, fliegt am 21. Dezember nach Kiew, um siebzehn Gemälde abzuholen, die im November 2015 aus dem "Museo di Castelvecchio" gestohlen wurden.

(Foto: Damien Meyer/AFP)

Vor einem Jahr wurden in Verona siebzehn kostbare Gemälde gestohlen. Sie sind längst wiedergefunden und derzeit in der Ukraine. Aber wann kehrt das Diebesgut endlich nach Italien zurück?

Von THOMAS STEINFELD

Voraussichtlich am kommenden Mittwoch, dem 21. Dezember, wird Flavio Tosi, Bürgermeister von Verona, nach Kiew fliegen, um siebzehn Gemälde abzuholen, darunter ein Werk von Mantegna, eines von Rubens, fünf Bilder von Jacopo Tintoretto und das ebenso berühmte wie heitere "Porträt eines Knaben mit Kinderzeichnung" von Giovanni Francesco Caroto. Noch am selben Tag will er nach Italien zurückkehren. Ganz sicher ist indessen noch nicht, ob die Reise an diesem Tag und in dieser Form stattfinden wird. Das liegt an "Terminschwierigkeiten" der Ukraine, genauer: daran, dass sie sich vorzubehalten scheint, nach eigenen Regeln mit dem Diebesgut umzugehen.

Vor gut einem Jahr, im November 2015, waren die Bilder aus dem Museo di Castelvecchio in Verona gestohlen worden, von bewaffneten Moldawiern, die mit dem italienischen Nachtwächter zusammengearbeitet hatten, wie die Polizei schon bald herausfand. Im März waren die Täter identifiziert und lokalisiert, im Mai hatte die ukrainische Polizei die Bilder endlich gefunden - auf dem Land bei Odessa, gut einen Kilometer von der moldawischen Grenze entfernt, in Kunststofftüten eingeschlagen und "in mezzo alla vegetazione", wie es in den italienischen Polizeiberichten hieß, "mitten in der Natur". Die Gemälde waren vermutlich für einen tschetschenischen Sammler bestimmt gewesen.

Die auf Kunstraub spezialisierte Einheit der italienischen Polizei, der Nucleo Tutela Patrimonio Culturale, der seinen ukrainischen Kollegen offenbar sämtliche Daten beschafft hatte, einschließlich der Aufenthaltsorte und Telefonnummern der Verdächtigen, feierte die Beschlagnahme daraufhin als großen Erfolg. Als das Veroneser Museum die Gemälde indessen zurückforderte, wurden die Dinge kompliziert: Eine ehemalige Leiterin des Museums musste nach Kiew fliegen, um die Werke zu identifizieren. Sie befanden sich im Palast des Präsidenten Petro Poroschenko, aufbewahrt in einem schlichten Konferenzraum. Der Brief, in dem um Rückgabe gebeten worden war, blieb unbeantwortet.

Im Juni wurden die siebzehn Bilder im Khanenko-Museum in Kiew ausgestellt, in der nationalen Galerie für "westliche und orientalische Kunst". Veronas Bürgermeister ergriff die Gelegenheit, um Petro Poroschenko die Ehrenbürgerschaft seiner Stadt anzutragen. Sie sei an dem Tag zu vollziehen, an dem der Präsident Verona besuche (mit den Bildern im Gepäck, wie Flavio Tosi vermutlich hoffte). Als Ausdruck der Dankbarkeit, erklärte der Bürgermeister bei der Eröffnung der Ausstellung außerdem, lade er alle ukrainischen Bürger ein, die Museen Veronas kostenlos zu besuchen,

Ein Datum für die Rückgabe der Werke wurde dem Bürgermeister indessen noch immer nicht genannt. Stattdessen hieß es aus dem ukrainischen Präsidentenpalast, man verhandle mit dem Büro des italienischen Ministerpräsidenten um einen Termin, wobei es "Konflikte" gebe. Petro Poroschenko plante zu jener Zeit offenbar, einen Staatsbesuch in Italien mit der Übergabe des Raubguts zu garnieren. Das Vorhaben zerschlug sich in den politischen Wirren Italiens und dem Rücktritt Matteo Renzis nach der Volksabstimmung vom 4. Dezember. Unterdessen erstattete ein italienischer Anwalt Anzeige gegen Petro Poroschenko, und zwar sowohl in Verona wie in Kiew - wegen Unterschlagung. Zu einem Verfahren wird es jetzt jedoch wohl nicht mehr kommen.

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