Kulturprozession:Eine neue Welt

Beim Gästespiel des Kulturraums dreht sich alles um Utopien

Von Constanze Radnoti

Der Höhepunkt des Abends kommt schon um 19 Uhr. Da tritt nämlich zum ersten Mal der Münchner Kneipenchor bei der Benefizveranstaltung des Kulturraums München auf. Mit dem sogenannten Gästespiel sammelt der gemeinnützige Verein seit drei Jahren Geld, damit auch bedürftige Münchner Bürger Konzerte, Theateraufführungen oder Ausstellungen besuchen können. In den vergangenen Jahren organisierte der Kulturraum Veranstaltungen mit Harry G oder der Spider Murphy Gang. Dieses Jahr fand unter dem Motto "Utopia" eine Kulturprozession statt. An drei unterschiedlichen Orten stellten Musiker, Tänzer und Redner ihre Utopien vor.

Zunächst in der Heilig-Geist-Kirche. Dort herrscht dank Weihrauch-Dunst und einem Vogelschwarm aus Papier, der an der Decke hängt, eine Wunderland-artige Atmosphäre. Die ersten Künstler tragen ihre Utopien vor - Bezahlbarer Wohnraum für alle! Bewussterer Fleischverzehr! Danach prozessieren die Utopisten zum Isartor und von dort aus zurück zum Alten Rathaus. Begleitet wird die zweite Prozession vom Münchner Kneipenchor. Dessen Sänger stehen auf Bierkisten im Tal, und jeder singt ein Lied vor sich hin, fast so, als wäre es nur für ihn selbst bestimmt. Der eine schmettert mit Inbrunst "O Sole Mio", der nächste singt enthusiastisch den Take That-Klassiker "Back for Good", die dritte ist so leise, dass man sie kaum hören kann. Das Ganze kumuliert schließlich in einer Darbietung von "Out of Space" von The Prodigy, bei der tatsächlich ein utopisches Glücksgefühl entsteht.

Es folgen Reden, Theaterszenen und ein Ausdruckstanz zum Thema "Utopia", doch an die Atmosphäre, die der Kneipenchor geschaffen hat, reichen sie nicht heran. Nach einem dritten Umzug zum Hofbräuhaus neigt sich der offizielle Teil des Abends langsam dem Ende entgegen. Jetzt soll gefeiert werden, deshalb stehen von jetzt an nur noch Bands auf dem Programm. Und tatsächlich: Um 23.30 Uhr haben es die Rakibuam geschafft, einen erheblichen Teil der Besucher auf die Tanzfläche zu locken. Zu ihrem orientalisch klingenden Sound und zu der bayerischen Gute-Laune-Musik von Oansno tanzen die Utopisten, als ob niemand zusehen würde. Irgendwann läuft das utopistischste aller Lieder - der Pippi-Langstrumpf-Song. Darin singt Pippi: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt." Eine echte Utopistin also für den Utopisten-Abend.

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