Kulturpolitik:Immer wieder zur Welt kommen

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Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters stellte in Berlin die Gründungsintendanten des Humboldtforums vor - und auch eine Stabsstelle wird gegründet, sie soll bald 3,5 Millionen Euro erhalten.

Von Stephan Speicher

Als sich vor vier Wochen das Gerücht bestätigte, der britische Museumsdirektor Neil MacGregor werde in die Gründungsintendanz des Berliner Humboldtforums eintreten, war die Begeisterung groß. Ganz allgemein sah man darin einen Coup der Kulturstaatsministerin Monika Grütters, und das mit Recht. MacGregor war erfolgreich als Chef der National Gallery und mehr noch des Britischen Museums, und wer sein Buch "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" (C.H. Beck) gelesen hat, der weiß warum. MacGregor verfügt über eine ganz ungewöhnliche Gabe der Vermittlung. Er schreibt zum Beispiel über eine Statue von der Osterinsel und warum der Instinkt: Osterinsel, was sollte mich das angehen?, ganz falsch ist. Er schreibt nicht über ein Objekt, sondern einen "der am meisten bewunderten Bewohner des Britischen Museums". Und schon ist alles verlebendigt, das Kunstwollen seiner Schöpfer und der Eindruck, den es auf moderne Bildhauer macht, die Welt, in der die Statue entstand und die Nöte, auf die sie antworten sollte, die Wucht der Front und die Furcht, die sich auf dem Rückenrelief zeigt ("klein, betulich, kraftlos") und zuletzt erkennen wir auch, warum uns das betrifft.

Keine Frage, Neil MacGregor ist Museumsmann einer tief demokratischen Gesellschaft, von dem können die Deutschen etwas lernen. Und als er nun mit seinen Kollegen in der Gründungsintendanz, mit dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp und dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, eine erste Pressekonferenz gab, eingeführt von der glücklich wirkenden Kulturstaatsministerin, da sah man die Vorzüge seiner Nation, wie Winston Churchill sie gerühmt hat, die "kluge und freundliche Art".

MacGregor machte Berlin und seinen Museen große Komplimente, sie verfügten über Bestände, wie es sie in dieser Breite und Vorzüglichkeit nur noch in St. Petersburg, New York, Paris und London gebe. Diesen Städten aber habe Berlin voraus, mithilfe der "großen Maschine" Humboldtforum die Geschichte der Menschheit neu zu erforschen und darzustellen. Er lobte die enge Verbindung deutscher Museen zu den Universitäten ("in London bin ich nur Direktor, in Berlin wäre ich Prof. Dr.") und rühmte die Ausstrahlung des Projekts Humboldtforum auf die ganze Welt. Ein internationales Expertenteam ist gebildet worden und jeder der angesprochenen Gelehrten habe es als eine Ehre angesehen, hier mitzuarbeiten.

Von der Gründungsintendanz hatte es zunächst geheißen, sie werde beratende Aufgaben erfüllen. Das ist nun etwas straffer gefasst. Im Oktober 2015 übernimmt sie "die kuratorische Gesamtverantwortung sowie die inhaltlich-konzeptionelle Zuständigkeit". Und MacGregor ist offenbar der Chef der drei, das deutete er zwischendurch auf seine verbindliche Art jedenfalls an, und das dürfte auch das Beste sein.

Merkwürdig ist nach wie vor, dass von einer Arbeit "über einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren" die Rede ist. Monika Grütters betonte zwar das "zunächst", aber was stand einer Verabredung für vier Jahre im Wege? Wer will sich die Möglichkeit offen halten, auf halber Strecke - das Humboldtforum soll 2019 eröffnet werden - die Pferde zu wechseln?

Auf "operativer Ebene" soll eine neue Stabsstelle die Intendanz unterstützen. Sie wird geleitet von Andreas Scholl, dem Direktor der Antikensammlung. Scholl ist ein hervorragender Mann, bei der Neueinrichtung des Alten Museums und in Sonderausstellungen hat er viel geleistet. Er versteht es, den gelehrten Interessen und denen der Breitenbildung gleichermaßen gerecht zu werden. Aber er hat die schwierige Restaurierung des Pergamonmuseums zu betreuen. Erstaunlich, dass er auch noch die Stabsstelle übernimmt, selbst wenn sie von 2016 an mit 3,5 Millionen Euro großzügig ausgestattet ist.

So wirkt alles persönlich recht munter. Nur in der Sache war nichts Neues zu hören. Seit mehr als zehn Jahren wird von dem Projekt gesprochen, gern im Ton politisch-moralischer Schwärmerei: Das Humboldtforum, die Präsentation außereuropäischer Kulturen im wiedererrichteten Schloss, soll ein Zeichen deutscher Weltoffenheit sein. Aber was das für die Praxis der Museumsleute bedeutet, das ist nach wie vor herzlich unklar. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp ritt sein altes Steckenpferd, die Kunstkammer, die in Berlin aus dem Schloss in die Universität umgezogen sei und nun ins Humboldtforum übersiedle. Hermann Parzinger lobte den Gedanken der gemeinsamen Erbschaft der Menschheit. Damit ist konzeptionell wenig geklärt.

Zwei der großen Ideen sind wohl zurückgezogen worden. Der kulturanthropologische Ansatz, der im Probelauf "Anders zur Welt kommen" vorgestellt worden war, der Versuch, die Bestände nach Großbegriffen wie Ehe, Medizin oder Handel anordnen zu wollte, ist erledigt. Und auch der aktualisierende Zugriff, für den der Kurator Martin Heller einstand, ist perdu mitsamt der Idee der Agora, wo all dieses erörtert werden sollte. Was stattdessen kommt, wird sich seine Aufmerksamkeit vermutlich ohne programmatische Flammenschrift verdienen müssen, abgesehen vom Versprechen der Weltoffenheit und Vernetzung.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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