Kulturpolitik:Banken und Baustellen

Frankfurt hat zuletzt wieder den Aufschwung zur Kulturmetropole geschafft. Jetzt soll dort die Kritikerin Ina Hartwig die neue Kulturdezernentin werden.

Von Volker Breidecker

Über die voraussichtlich schwarz-rot-grüne Koalition im Rathaus von Frankfurt am Main wird noch verhandelt - aber es werden schon Ressorts verteilt: Die SPD beansprucht das Kulturdezernat und möchte es mit ihrem Parteimitglied Ina Hartwig besetzen. Die 53-jährige gebürtige Hamburgerin, Lesern des SZ-Feuilletons als Literaturkritikerin bekannt, lebt seit 1997 in Frankfurt, zunächst als Redakteurin der Frankfurter Rundschau, seit ihrem Ausscheiden 2010 als freie Autorin.

Mit Hartwigs Nominierung als Nachfolgerin des CDU-Stadtrats Felix Semmelroth, der seit einem Jahrzehnt amtiert hat, will die Frankfurter SPD an die heroische Ära des früheren Kulturstadtrats Hilmar Hoffmann (1970-1990) anknüpfen, obschon es die SPD selbst war, die dieses Amt nach dem Abgang des "Vaters des Museumsufers" am Main seinerzeit demontierte. Erst mit Semmelroth konnte die Bankenstadt das zwischendurch verlorene Renommee einer Kulturmetropole zurückgewinnen: Kluge Berufungen wie jene Max Holleins zum Direktor von Städelmuseum, Liebieghaus und Schirn verliehen Frankfurts besonderer, auf kleinstem urbanen Raum angesiedelter Kultur-, Kunst und Museumslandschaft neuen Weltrang.

Semmelroth erwies sich als geschickter Schachspieler, der allzu drastische Sparauflagen des von der eigenen Partei bestellten Kämmerers abwehrte. Sein größter Misserfolg bleibt indes die erneute Verschiebung des seit vier Jahrzehnten geplanten Neubaus für die ethnologischen Sammlungen des Weltkulturenmuseums auf einen Sankt-Nimmerleinstag. Dass die CDU, die lieber weiter das Wirtschafts- und künftig auch noch das Bauressort übernehmen will, so bereitwillig das Kulturdezernat preisgibt, ließ den darüber enttäuschten Semmelroth in dieser Woche den Rücktritt einreichen.

Seine Nachfolgerin - die sich allerdings auch erst einmal im Juli nach Abwahl des alten Magistrats zur Wahl stellen muss - übernimmt viele Baustellen: Museumsmanager Max Hollein wird das Städel im Juni Richtung San Francisco verlassen, und kein Nachfolger (wenn es nicht Daniel Birnbaum wird) ist in Sicht. Die schwierigsten Nüsse dürfte eine noch so intelligente künftige Kultursenatorin wie Ina Hartwig aber mit den Zahlmeistern des Koalitionspartners CDU zu knacken haben. Denn deren Interesse an einer dauerhaft kreativen, an Überraschungen reichen und obendrein noch intellektuell grundierten Kulturarbeit dürfte nach so leichtfertiger Aufgabe eines für die Ausstrahlung Frankfurts wichtigeren Ressorts wohl recht dürftig ausgeprägt sein.

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