Kulturgeschichte:Reiche Beute

Eine Ausstellung in Iphofen zeigt den "Barbarenschatz", der rund 1700 Jahre im Rhein schlummerte.

Von Harald Eggebrecht

Unbehelligt haben es die Barbaren, germanische Banden, zurück an den Rhein geschafft mit ihren hochbepackten Leiterwagen. Sie hatten einen längeren Raubzug über den Rhein hinein in die römische Provinz Gallien hinter sich, der ihnen wahrhaft reiche Beute vergönnt hat. Die haben sie geradenwegs über die glatten Straßen der Römer mit Ochsengespannen nun bis ans linke Rheinufer gebracht. Wenn das Übersetzen auch noch gelingt, ist das ganze waghalsige Unternehmen ein Riesenerfolg. Rasch rollen sie die Wagen auf die vorbereitete flache Prahm und staken los, denn auf dem Fluss kann es noch einmal gefährlich werden. Das rettende rechte Rheinufer, wo für die Römer zu dieser Zeit schon das Barbarenland beginnt, rückt mit jedem Schub näher. Doch dann geschieht es doch, zum Entsetzen der germanischen Alamannen: Schnell jagt ein römisches Patrouillenboot heran und rammt mit seinem Dorn die schwerfällige Prahm. Die kommt in Schräglage, der Leiterwagen kippt und stürzt auf Nimmerwiedersehen ins Wasser mit all den hochgestapelten Töpfen und Tiegeln, Kesseln und Pfannen, Schwertern und Ambossen, Eisenrohlingen, Werkzeug und Waffen, dem Silber, Bronze und anderem.

So oder ähnlich muss man sich das Versinken jenes Barbarenschatzes vorstellen, den die räuberischen Alamannen im späteren 3. Jahrhundert nach Christi bei ihren Plünderungen in Gallien erbeutet hatten. Über tausend Gegenstände aus dem Alltagsleben, aber auch aus dem sakralen Bereich, insgesamt ein Gewicht von gut 700 Kilogramm, wurden geborgen, der größte und bedeutendste Hortfund aus römischer Zeit nördlich der Alpen. Zurzeit kann man ihn im Knauf-Museum im fränkischen Iphofen bestaunen.

Rund 1700 Jahre rottete die Germanenbeute im Rhein dahin nah dem heutigen Neupotz. Bereits um 1967 tauchten beim Kiesabbau erste Gegenstände auf. Die Kiesgrube in diesem Altrheinarm gehört der Firma der Brüder Kuhn, die dafür sorgten, dass archäologisch vorgegangen wurde, als Anfang der Achtzigerjahre der Großteil des Hortes entdeckt wurde. Selbst kleine Münzen und Metallfragmente wurden gerettet. Am Ende bietet sich nicht einfach ein gewaltiger Berg von metallenen Gebrauchsgegenständen aller Art, sondern vor allem ein tiefer Blick in das Alltagsleben römischer Provinzen im gallischen Raum. Ein Blick in eine kultivierte, für Germanenaugen sicher luxuriöse, von Wohlstand kündende Welt, die ein lohnendes Ziel für Räuber und Banditen bot, die sich um einen Anführer scharten nach altem germanischen Brauch, um auf einem solchen Beutezug Ruhm, Ehre und Reichtum zu ernten.

Die Plünderer vom rechten Rheinufer haben wirklich alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war, sie machten weder vor Häusern, Villen, Werkstätten noch vor Tempeln halt. Von eisernen Dengelstöcken, also Miniaturambossen, auf denen man Sensenblätter ausziehen kann, über Ketten, Haken jeder Art, Schüreisen, Ascheschaufeln und Eisenrohlingen bis hin zu allen Arten von Kochutensilien, vom Großkessel bis zur Vorlegegabel, edlem Weingeschirr, feinen Damenspiegeln, Schmuck und Sakralgerät schleppten sie alles mit. Darüber hinaus führten die Barbaren die überfallenen Bewohner der ruinierten Gutshöfe, Dörfer und Kleinstädte in die Sklaverei und trieben auch das geraubte Vieh mit sich. Es muss ein imposanter Tross gewesen sein, der da auf den wohlgeebneten Straßen der Römer dem Rhein entgegenzog. Was an Stoffen, Holz und anderem organischen Material mitgekarrt wurde, ist natürlich vergangen. Nur das Metall blieb erhalten.

Rund 1700 Jahre lang rottete der umfangreiche Schatz im Rhein vor sich hin

Dass diese Plünderungen überhaupt solches Ausmaß in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts annehmen konnten, lag einmal an heftigen inneren Auseinandersetzungen im Reich und an Schwierigkeiten der Römer, ihre rechtsrheinischen Limeslinien und die vorderasiatischen Grenzen nach Osten hin einigermaßen sicher zu halten. Da im Osten die Parther und dann die Sassaniden den römischen Streitkräften in andauernden Kämpfen zusetzten, zog man zur Verstärkung an diesem Brandherd des Reiches zuerst Reiter, dann auch Legionäre aus den Limesregionen ab. Diese Ausdünnung der Verteidigungskräfte nutzten nun sofort die germanischen Horden, um weiträumig in Gallien einzufallen. Den Franken gelang es sogar, bis ins spanische Tarragona vorzudringen. Erst unter Diokletian und Konstantin konnte das Reich wieder grundlegend stabilisiert werden.

Wer so wahllos und rüde raubt, dem ist es auch egal, ob ein silberner Trinkbecher (aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert) eine nach klassischem griechischem Vorbild lebendig ausgearbeitete dionysische Festszene zeigt mit fast nackter, Doppelflöten blasender Mänade in attraktivem rückansichtigem Halbakt und einem kräftigen Satyrn. Die Alamannen teilten die Beute, indem sie nicht nur diesen Becher, eines der ältesten und schönsten Stücke des Neupotzer Fundes, einfach zerhackten. Solches auch für viele andere Funde typisches Hacksilber belegt einmal mehr, dass die Römer zu Recht von Barbaren sprachen.

Die rechtsrheinischen Germanen teilten viele der kostbaren Stücke auf - indem sie diese zerschlugen

Im Iphofener Museum ist der Schatz über drei Stockwerke nicht nur ausgebreitet, sondern nach Zweck der Gegenstände und ihrem wahrscheinlichen Ort im alltäglichen Gebrauch übersichtlich und klar geordnet. So entsteht durchaus der Eindruck, sich im Leben eines römischen Provinzortes zu bewegen: hier eine Schreinerwerkstatt mit Sägen, Hobeln, Feilen, Dechseln, Bohrern und Zirkel, dort eine Schmiede mit Amboss, Zangen, Hämmern und anderem Zubehör. Landwirtschaftliches wie Winzermesser, Schafscheren, Glocken, Spaten und Hacken gibt es ebenso wie Wagenbeschläge, Ochsen- und Pferdegeschirr. Vom Gang durch die Küche mit Bratpfannen und Tiegeln auf Dreifüßen über dem Feuer oder an Ketten aufgehängten Kesseln geht's zur Essenstafel: schöne Ovalplatten, Weinkrüge, einer mit verziertem Griff, auf dem die Göttin Minerva mit der Eule auf der Hand zu sehen ist, Schöpfkellen, Kasserollen, aufs feinste perforierte Weinsiebe und Mischgefäße mit schon eingebautem Sieb erwarten die Besucher.

So wird der Museumsgang zur Reise in eine Zeit, als die militärische Kraft und Sicherheit des Römischen Reiches so zu bröckeln begann, dass seine kulturelle und zivilisatorische Ausstrahlung auch die ungehobeltsten Gesellen anzog, hier reiche Beute zu machen.

Der Barbarenschatz - Geraubt und versunken im Rhein. Bis 8. November, Knauf -Museum Iphofen.

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