Kulturgeschichte:Expeditionen ins Menschenreich

"Völker-Beschreibung" war das Projekt einer aufgeklärten Gelehrtenelite des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation: Zwei Bücher beleuchten nun die Vorgeschichte der Ethnologie.

Von Stefan Laube

Deutsche sind nicht präsent, als die Welt entdeckt und erobert wird. Allenfalls als Kartografen treten sie in Erscheinung. Martin Waldseemüller druckt 1507 eine Weltkarte, auf der die neue Welt nach dem italienischen Seefahrer Amerigo Vespucci erstmals Amerika heißt. Dass aber die Wurzeln von Ethnografie und Ethnologie in der deutschsprachigen Aufklärung zu finden sind, kann man nun in einer Studie Han F. Vermeulens nachlesen. Im 18. Jahrhundert, dem zweiten Zeitalter der Entdeckungen, habe sich ein "new way of travelling" ausgebreitet - ein Reisen, das politische Eroberung, die Sicherung von Handelsinteressen und wissenschaftliche Bestandsaufnahme vereinte. Das war nicht nur bei James Cooks Südseereisen der Fall, sondern auch bei den von Russland ausgehenden Expeditionen nach Sibirien bis zur Beringstraße. Wie Vermeulen zeigen kann schuf die Erschließung Osteurasiens eine neue Wissensdisziplin, die aus empirischen Beobachtungen und einem systematischen Fragenkatalog ihre Schlüsse zieht. Wenn in ihrem Fokus auch das Fremde und Ungewohnte steht, so ist sie stets in ein Menschenbild gebettet, das gemeinsame Merkmale herausstellt.

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