Kultur:Venezianischer Heißsporn

Don Giovanni

Höllenfahrt in moderner Anmutung: der neue "Don Giovanni" des Gärtnerplatztheaters.

(Foto: Thomas Dashuber)

Marco Comin leitet mit Mozarts "Don Giovanni" im Cuvilliés-Theater seine letzte Opernproduktion als Chefdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Von Egbert Tholl

Ansatzlos beginnt das Gespräch inmitten der Musik. Ja, sagt Marco Comin, eigentlich sei das Cuvilliés-Theater zu klein für Mozarts "Don Giovanni", also der Graben zu eng für das Orchester, aber er setze die Posaunen in die Loge und das Hammerklavier auch nach draußen. Man merkt sofort, da brennt einer für die Musik. "Don Giovanni" ist eine der beiden Opern, die Comin schon immer machen wollte. Die andere ist Verdis "Otello". Beide hat er schon mal gemacht, den "Don Giovanni" das erste Mal vor zehn Jahren. Nun wird dieser Comins Abschlussopernproduktion am Gärtnerplatztheater, dessen Chefdirigent er 2012 geworden war. Premiere ist am Samstag, 24. Juni, um 19 Uhr.

Comin hat in den fünf Jahren seines Wirkens das Orchester verändert. Am liebsten würde er Mozart auf Originalinstrumenten spielen lassen, Musik, die noch älter ist, also Barock, ohnehin. Barock hat Comin versucht vor allem über Konzerte zu etablieren, es gab auch mal Händels "Semele", ein hochgradig bemerkenswerter Erfolg, für dessen Anerkennung man nicht in Betracht ziehen muss, dass das Orchester daneben Operette, Musicals oder was auch immer spielt, Uraufführungen inklusive. Comin ist gebürtiger Venezianer, ein Heißblut. Denkt er nun an das, was das Orchester kann, umflort ihn Wehmut. "Ich bin schon stolz auf das Erreichte. Aber wegen des Orchesters wäre ich gerne länger geblieben. Es hätte noch ein paar Punkte gegeben, an denen wir schön hätten weiterarbeiten können." Aber: "Wir haben bewiesen, dass wir die großen Schinken genau so gut können wie die leichte Muse."

Nur: So viele große Schinken durfte er gar nicht zubereiten. Als sie sich vor fünf Jahren verständigten, Intendant Josef E. Köpplinger und er, da, so erzählt Comin, habe er von vornherein gesagt, er sei nicht der Operettendirigent, aber er könne dies schon machen. Vielleicht einmal, wenn das Stück passe. Comin war stets der Auffassung, der Chef müsse vor allem die großen Opern dirigieren, von denen es vielleicht zwei pro Saison gab.

Köpplinger präferiert hingegen einen Dirigenten als eierlegende Wollmilchsau, eine Haltung, die auch der Spielplan legitimiert, mit dem er von Herbst an das dann renovierte Stammhaus bespielen wird. Marco Comin hingegen findet es schade, dass "wenn man so ein Orchester hat, man dieses nicht ausnutzt". Und das bedeutet für ihn: im strengsten musikalischen Sinn. Comin liebt das schlanke Musizieren, ohne Vibrato, aber mit so viel Verständnis für Phrasierung und Akzente, dass sich der Klang von ganz allein einstellt, als Klangrede. "Ohne Vibrato zu spielen bedeutet kein Verbot, sondern ist ein Ausdrucksmittel, ein Anlass, die Musik selbst zu gestalten." Tatsächlich hätte hier das Potenzial bestanden, die nach Weggang von Sir Peter Jonas in dieser Stadt weitgehend ungestillte Sehnsucht nach Barock-Oper trefflich zu befriedigen.

Comin sagt, er habe viel gelernt. So wie er nie aufhöre, alles über Musik zu lernen, heute beispielsweise den Musikern viel mehr über "Don Giovanni" sagen könne als vor zehn Jahren, so habe er auch über sich gelernt. Er gibt zu, dass er manchmal dazu neige, zu explodieren - "ich kriege einen Hals, wenn die Konzentration fehlt" -, aber es gehe dabei um ihn selbst. Auf der Mexiko-Orchestertournee konnte man Zeuge davon werden, wie er sehr harsch werden und sich im nächsten Moment aufs Ehrlichste entschuldigen kann. "Die Musiker wussten, wenn ich laut werde, ist es nicht persönlich gemeint." Und schließlich das Resümee eines Musikers, für den München fünf Jahre Heimat war, dessen zwei Kinder hier geboren wurden, der viel hier erreichte und noch mehr hätte erreichen können: "In einem kleinen Kämmerlein in meinem Herzen werde ich immer Chef dieses Orchesters bleiben."

Es war seine erste echte Chefstelle, und gerne komme er als Gast wieder. Mitsamt seiner Unabdingbarkeit für die Musik, aus der man auch eine gewisse Skepsis gegenüber verstiegenen Regiekonzepten heraushören kann - "der Vorteil von Konzerten gegenüber der Oper ist: Du musst keine Kompromisse eingehen". Ein echter Comin: "Es gibt keine Entschuldigung für Scheitern." Zu diesen Satz muss man aber hinzudenken, dass Comin auch ein sehr freundschaftliches Verhältnissen zu Musikern pflegen kann. Was seine eigene Arbeit angeht, sieht er sich selbst als sein größter Kritiker, einschließlich des unglücklichen Procedere im Vorfeld der Spanien-Tournee "seines" Orchesters. Das hat er vermasselt, weiß er selbst, er war nicht mit dabei, aber ach, es hätte sehr aufregend mit ihm und Ivo Pogorelich werden können. Arrivederci Marco!

Mozart: Don Giovanni; Premiere am Sonntag, 24. Juni, 19 Uhr, Cuvilliés-Theater

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