Kultur:Nessun dorma

AUFTRITT GIPFELTREFFEN DER STARS AM 27.06.2015 IN MÜNCHEN

Sie ist der Star, ohne Zweifel: Anna Netrebko beim Open Air auf dem Münchner Königsplatz.

(Foto: Jens Niering)

Das Klassik-Open-Air auf dem Königsplatz gerät zur reinen Freude

Von Egbert Tholl

Erst einmal ist man verblüfft von der schieren Menge an Menschen: 12 500 strömen auf den Königsplatz, es gibt Bier, Caipirinha und Ohrstöpsel, voll Festival also, da regt sich doch gleich ein kleiner kulturpessimistischer Reflex. Doch dieser verflüchtigt sich schnell. Das sogenannte "Gipfeltreffen der Stars" macht Freude. Weil die, die hier auftreten, eben diese Freude vermitteln, Freude am Singen, an der Musik. Und so geht man nach sechs Zugaben auch frohgestimmt nach Hause, summt "Tonight" aus der "West Side Story" vor sich hin, die letzte der Zugaben, von allen fünf Sängern in einer Art Freistil-Variante dargeboten, und denkt sich: Das sind einfach großartige Profis, die das, was sie machen, mit großer Leidenschaft tun. Erst einmal nutzen die Fünf die Fernsehaufzeichnung für eine Botschaft. Dmitri Hvorostovsky ist böse erkrankt, für ihn wird Thomas Hampson den Bariton-Part übernehmen, welcher ihm nun, zusammen mit den anderen, Mut zuspricht. Dann folgt Verdi und eine kleine Unsicherheit der ansonsten unter der Leitung des hingebungsvollen Dirigenten Claudio Vandelli sensibel begleitenden Janacek Philharmonie Ostrava: Bei der Einleitung zur "Himmlischen Aida" muss sich das Blech erst sortieren. Dann singt Jonas Kaufmann - und die Schwalben fliegen noch. Ihm folgt Anna Netrebko als eben die von Kaufmann Besungene - und die Vögelein beginnen zu zwitschern. Später wird der Mond leuchten, "Nessun dorma", was will man mehr.

Elena Zhidkova ist zunächst eine Eboli mit flackernder Inbrunst und gelangt dann zu immer kristalliner werdender Mezzo-Schönheit, Ildar Abdrazakov ist ein eleganter, agiler Bass-Filou mit kaum endendem Atem, Hampson ein Entertainer, ein Crooner (Cole-Porter-Zugabe) und gestaltet auch Jagos Credo, obwohl er sich mit dem Bösen an sich schwer tut. Aber wie er dann in dessen Imagination des Todes eintaucht, das ist großes, bestes Theater. Jonas Kaufmann wirkt ein bisschen angeschlagen, im Piano heiser - und überwindet dies mit enormer Kraft; er lässt sich nicht lumpen, gehe es auch an die Substanz. Das beeindruckt kolossal, das "Boheme"-Duett mit Netrebko ist dann reine Liebe, und überhaupt: sie ist mal wieder fabelhaft. Mag man anfangs über die Wahl der Garderobe noch rätseln: Netrebko ist hier der Star, mit ihrer makellosen Stimme und ihrem Charme. Ob Kalmans Puszta-Mädel, Mimi oder Offenbachs Barcarole: ein Traum. Bei den Zugaben tanzen die anderen, während einer zum Singen vorgeschickt wird, das hat Witz, macht Lust und ja, Freude. Text: Egbert Tholl. Foto: Jens Niering

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