Man kann es nicht abstreiten: Julia Engelmann liegt voll im Trend. Nicht nur, dass die 25-Jährige mit ihren Gedichten immer wieder als die Stimme ihrer Generation geadelt wird, nein, jetzt hat sie sich auch noch in die Hand geschnitten - beim Avocado zerteilen. "Avocado-Hand" heißt der neumodische Begriff dazu. Erst vor Kurzem kreiert von einem britischen Chirurgen, um auf die stetig wachsende Zahl der Handverletzungen beim Schneiden der trendigen Frucht aufmerksam zu machen.
Aber nicht nur die Avocado hat in den vergangenen Jahren eine steile Karriere hingelegt. Auch Julia Engelmann kannte vor vier Jahren noch niemand, bis sie bei einem Bielefelder Hörsaal-Slam ein Gedicht vortrug, das viral ging und das bis heute allein bei Youtube über zehn Millionen Klicks geerntet hat. Und der Hype um die gebürtige Bremerin hält offenbar an: Der Circus Krone Bau, in dem sie am Samstag mit ihrer neuen Tournee "Jetzt, Baby. Poesie und Musik" auftrat, war ausverkauft, das vorwiegend weibliche Publikum bis zum Ende zugegebenermaßen ziemlich aus dem Häuschen. Gut so, denn Julia Engelmann hat ihr Studium geschmissen, um von nun an "Vollzeit-Poetin" zu sein, wie sie es nennt. Und dazu singt sie jetzt auch noch, obwohl sie die Gitarre (wegen der Avocado-Krise) mal lieber aus der Hand gegeben hat.
Ihr Programm: Eine Mischung aus neuen und bekannten Gedichten, Songs vom musikalischen Debüt "Poesiealbum", dazwischen gekonnte Comedy-Nummern. Inhaltlich aber bewegt sich Engelmann weiter auf der Welle einer nach Selbstverwirklichung lechzenden Generation Y. Ihre Botschaft bleibt wenig variabel: "Lebe deine Träume", "Sei du selbst", oder "Grüner wird's nicht". Dazu ein bisschen Konfetti-Regen, ein glitzernder Sternenhimmel und rockige Jungs, die ihre One-Woman-Show musikalisch untermalen. Und ja, der eher gesprochene Gesang der Poetin gewinnt durch die unterlegten Beats und geloopten Klangfolgen durchaus. Ihre Texte tun das leider nicht.