Kultur:Auf der Seite der Verführer

Kultur: Die Tolle: Ihr Markenzeichen sind ihre Frisur und ihr Kampf um klügere Fernsehinhalte. Damit eckt Bettina Reitz immer noch an.

Die Tolle: Ihr Markenzeichen sind ihre Frisur und ihr Kampf um klügere Fernsehinhalte. Damit eckt Bettina Reitz immer noch an.

(Foto: HFF München / Robert Pupeter)

Mit einem Festakt wird nun der Amtsantritt von Bettina Reitz als erste hauptberufliche Präsidentin der HFF gefeiert. In diesen wechselvollen Zeiten ist ihre Aufgabe wahrlich kein Nebenjob

Von Susanne Hermanski

Der Hauptfilm läuft längst. Offiziell hat Bettina Reitz ihre neue Position schon am 1. Oktober angetreten. Wenn sie an diesem Montag mit einem Festakt als Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film inauguriert wird, hat sie schon ein ordentliches Pensum in diesem Amt hinter sich. Allein an diesem Wochenende hat sie eine Diskussion im "Seriencamp" in der Hochschule moderiert, ihr Netzwerk bei der Verleihung des Hessischen Filmpreises gepflegt, bei der Frankfurter Buchmesse an einer Podiumsdiskussion der ARD teilgenommen, und sie hat sich in die Nesseln gesetzt. Letzteres gleich doppelt.

Mit einem Interview, in dem sie sich kritisch über den Zustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland geäußert hatte, hat sie einerseits ihren Ex-Arbeitgeber verärgert - nämlich den Bayerischen Rundfunk, dessen Programmchefin sie bis vor kurzem war. Andererseits hat sie damit in Presse und Branche Vorwürfe auf sich gezogen, jetzt Zustände zu beklagen, an denen sie als wichtige Entscheiderin selbst mitverantwortlich war. Das mag formal stimmen. Trotzdem war Bettina Reitz als Fernsehfrau auch lange Zeit dafür bekannt, geradezu Mantra-mäßig innerhalb der Hauses BR sowie in der Öffentlichkeit - also auf Filmfest-Panels, Programmpräsentationen und Diskussionen - ihre Kritik an schwachen Inhalten und mutlosen Konzepten zu wiederholen. Bettina Reitz ist nicht die Person, die sich in Selbstzweifeln verliert, aber sie räumt ein: "Manches konnte ich selber nicht bewegen."

Mit ihrem neuen Job packt sie nun die Sache von einer anderen Seite an. "Mir geht es darum, Kreative zu fördern", sagt sie. Auch wenn das harmlos klingt aus dem Munde einer Kunsthochschul-Präsidentin - wer so etwas in der HFF sagt, der sticht schon ins nächste Wespennest. Denn dort tobte bis vor kurzem ein, von außen betrachtet, kaum verständlicher Richtungsstreit. "Kreativ" zu sein, das nahmen jene für sich in Anspruch, die sich sehr exklusiv dem klassischen Autorenfilm verpflichtet fühlten. Die anderen, die sich für das Machen von Genrefilmen, CGI-Animationen oder gar innovativen Fernsehserien begeisterten, die empfanden sich als bestenfalls "kommerziell" abgekanzelt.

In Zeiten wie diesen, da sich die gesamte Bewegtbild-Branche in einem gewaltigen Umbruch befindet, alte Finanzierungskonzepte nicht mehr funktionieren, ist freilich für derlei Befindlichkeiten kein Platz mehr. Das weiß auch das Kultusministerium, das nicht von ungefähr in Bettina Reitz die erste hauptamtliche Präsidentin eingesetzt hat. Als Teilzeitkraft ließe sich nicht bewältigen, was sie vor sich hat. Nämlich "viel reden". Um "andere Formen des Denkens zu befördern", damit die ausgetretenen Pfade des deutschen Film- und Fernsehschaffens endlich verlassen werden. Und um die drei wesentlichen Strömungen unter den Filmemachern "weiterzuentwickeln, statt sie gegeneinander auszuspielen". Nennen könnte man diese drei frei nach Reitz: die Kunstfilmer, die Erzähler und die "Verführer". Dabei sei es egal, ob junge Filmemacher sich nun vor allem dem Experiment, der guten Geschichte oder dem unterhaltenden Effektkino widmen wollten. Wichtig sei, dass sie sich "ihrer Haltung bewusst" würden, und dass sie jeweils das richtige Handwerk vermittelt bekämen, um sie auch erkennbar zu machen.

"Wer den Zuschauer mit der Kraft seiner Bilder verführen will, der muss dies auch tun", sagt Bettina Reitz. "Dessen Film muss selbst jene mitreißen, die sonst sagen: ein guter, anspruchsvoller Dialog ist mir lieber. Und umgekehrt." Nur gewollt, aber leider nicht gekonnt, das hätten die Zuschauer schon zur genüge gesehen. "Die Zuschauer werden in Anbetracht der vielen Möglichkeiten immer radikaler in ihrer Wahl", da ist sich Bettina Reitz sicher. Deshalb sei es wichtig, regelmäßig zu diskutieren, warum ein Film funktioniert hat oder warum nicht. "Und das auch mit allen möglichen Vertretern aus anderen Bereichen des Filmgeschäfts." Denn im Film flössen ja nicht nur viele verschiedene künstlerische Mittel zusammen zu einem Werk. Um es umzusetzen, brauche man - gerade um all die kreativen Köpfe zu bezahlen - auch viel Geld.

"Nur sperrig und gegen den Strich zu erzählen, ist keine Zukunftsperspektive", sagt Bettina Reitz, "man muss schon ein klares Ziel vor Augen haben. Mit dem Anspruch, der oder die Beste zu sein." Die Nachfrage nach bewegten Bildern sei größer denn je, und somit seien es auch die Chancen. Wo Bettina Reitz derzeit sowohl Ehrgeiz als auch Möglichkeiten sieht, lässt sich ebenfalls an ihrem Terminkalender des Wochenendes ablesen: ihre Moderation beim "Seriencamp", dem ersten "internationalen Festival für Serien- und TV-Kultur".

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