Kultfigur:Davie Bowie - Wiederauferstehung als Alien

David Bowie "Dark Star"

Auch wiederauferstanden bleibt David Bowie der Alte, also Kultfigur.

(Foto: dpa)

Er ist zurück: Anfang Januar erscheint David Bowies neue Platte "Black Star". Sein Musical "Lazarus" läuft jetzt schon im New Yorker East Village, also Off-Broadway.

Von Peter Richter, New York

Nirgendwo, auch nicht im Johannesevangelium, steht geschrieben, dass Lazarus wirklich noch ganz derselbe ist, als er von den Toten wieder auferweckt wird. In einem Teaser für die letzte Ausgabe von Stephen Colberts Late Night Show hieß es letzten Donnerstag plötzlich: "Hello, ich bin's, David Bowie, Ziggy Stardust, The Thin White Duke, and jetzt, in meiner bisher außergewöhnlichsten Erscheinungsform, der gefeierte Schauspieler Michael C. Hall. Sie erkennen mich nicht wieder? Well, ich bat einen Schönheitschirurgen um ein paar . . . " - und dann erklang, mit derselben Stimme, nur vierzig Jahre jünger: "Ch-ch-changes".

Es stand dann am Donnerstag tatsächlich der Schauspieler Michael C. Hall in der Fernsehshow von Stephen Colbert und sang "Lazarus", die neue Single aus David Bowies im Januar erscheinendem Album "Black Star", und wenn man die Augen ganz fest zumachte, konnte man tatsächlich kurz auf die Idee kommen, Bowie selbst singe da: "Look up here, I'm in heaven. I've got scars that can't be seen."

Der Mann imitierte sogar Bowies bröckelndes Tremolo, und wenn man die Augen allerdings wieder auftat, war es eben ein Schauspieler umgeben von einem Backgroundchor von weiteren Schauspielern, die alle zusammen zurzeit in dem Musical auf der Bühne stehen, das ebenfalls "Lazarus" heißt, seit ein paar Tagen in New York läuft, und von David Bowie mitausgeheckt wurde.

Tags drauf konnte man dieselben Leute auf der Bühne des New York Theater Workshops stehen sehen, und sie sangen live, und es war immer noch ziemlich gut. Überraschend gut sogar.

Denn man wird ja wohl ein paar Sorgen haben dürfen, wenn es heißt, dass ein Popgott wie David Bowie auf einmal sein Erbe verandrewlloydwebbert. Ein Musical ist schon am Broadway von New York ein Stahlbad. Umso mehr aber Off-Broadway. Wenn es wenigstens eine große Bühne wäre. Aber der Theater Workshop ist ein enges Ding im East Village, Probebühnen-Atmosphäre mit Backsteinwänden.

Innerhalb von Stunden ausverkauft

Es ist, zunächst mal, gar nicht zu glauben, dass für Tickets zu dieser Show etliche Hundert Dollar hingelegt werden müssten, wenn es überhaupt noch welche gäbe, denn das Musical war innerhalb von Stunden ausverkauft. Und es bleibt für die Dauer des Stücks unbegreiflich, wie die Aura des glamourösesten Superpopstar-Pops, den die Welt je gekannt hat, in ein solches Stadtteilkulturzentrum passen soll - rein physikalisch.

Wenn hinter dem kargen Bühnenbild, abgetrennt durch eine Glasscheibe, die Band losspielt und wenn vor der Glasscheibe die Schauspieler von ihren Texten stets ein wenig unvermittelt ins den Meister imitierende Singen wechseln, dann hat das in der Tat immer erst einmal etwas von Sakrileg und Karaoke. Auf der anderen Seite: Bowie-Songs bleiben Bowie-Songs, und vielleicht war Bowie seit den frühen Achtzigern nicht mehr so sehr im Sinne seiner erbittertsten Fans "Bowie" wie hier.

Transzendent genug

Es ist der Bowie von "Life on Mars" und "Heroes", der hier lazarusmäßig aus der Grube gefahren kommt. Der Bowie von "Let's Dance" und all den merkwürdig rumpelnden Rock 'n' Roll-Nummern, die seine Alben eher voll- als ausmachten, bleibt, was nicht traurig ist, drinnen.

Es ist, als ob das, was sich irdisch oder sogar erdig geben wollte, seiner Natur gemäß am Boden bleiben müsste, weil nur die Asche aus "Ashes to Ashes" und was sonst noch leicht und ätherisch und transzendent genug ist, Wiederauferstehung feiern darf. Es ist nämlich vor allem die Wiederauferstehung von Bowie als Alien.

Das Stück ist nicht zu begreifen ohne den Film "The Man Who Fell to Earth", in dem David Bowie einst einen Außerirdischen mit dem Namen Thomas Newton spielte, der zum Wasserholen auf die Erde geschickt wird und dort dem Sex und dem Alkohol verfällt.

Die Geschichte hatte Walter Travis 1963 in einem Roman entworfen, und Nicolas Roeg hatte 1976 einen Film daraus gemacht, in dem Bowie endgültig zum Messias all derer wurde, die sich ebenfalls ein wenig wie ein Fisch an Land fühlen in diesem Leben und in dieser Welt.

Es soll, heißt es, Bowies Idee gewesen sein, mal nachzuschauen, wie es Thomas Newton heute geht. Zusammen mit dem irischen Dramatiker Enda Walsh wurde ein Stück geschrieben, in dem Newton reich, gelangweilt und alkoholabhängig in einem Apartment auf der 2. Avenue, also gleich um die Ecke vom Theater, seine Tage vorm Fernseher verdöst. Eine Assistentin, emotional nicht ganz im Reinen mit sich selbst und ihrem eigentlichen Freund, versucht, ihn zu verführen.

Newton ist aber eher von einem 14 Jahre alten Mädchen besessen, das es erstens wohl nur in seiner Einbildung gibt, das zweitens bei einem Gewaltverbrechen gestorben ist, drittens aber unerlöst in einer Art Limbo herumirrt, um Newton zu erlösen, der dann jedoch auf Geheiß eines besonders teuflischen Teufels wiederum sie . . . Egal. Es sieht jedenfalls fantastisch aus, denn das Blut, das dann über die Bühne fließt, ist logischerweise reine, weiße Vollmilch.

Selbst die neuen Bowie-Songs klingen wie alte

Endlich mal wieder ein Plot, den man nicht nacherzählen kann, ohne wie auf Drogen zu wirken. Und das Beste ist: Alle paar Minuten machen diese wundervollen Schauspieler Pause, um einen alten Bowie-Song zu singen. Und das Allerbeste: Selbst die neuen Bowie-Songs klingen jetzt im Großen und Ganzen wie alte, nur neuer natürlich. Gute Nachrichten für alle, die sich bereits seit dem Ende der Siebziger auf die nächste richtig gute Bowie-Platte freuen. Anfang Januar könnte es mit "Black Star" so weit sein.

Kurz danach wird dann dieses kleine, zarte, außerirdische Musical im East Village von New York abgesetzt. Wer das dann nicht irgendwo auf einer anderen Bühne nachmacht, kopiert und in Umlauf bringt, dem ist wirklich nicht zu helfen.

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