Kritik:Weichgespültes Drama

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Das Musical "King" im Münchner Akademietheater

Von Sabine Leucht, München

Zwei dicke Sperrholzplatten schweben auf der Bühne des Akademietheaters übereinander. Mit gut sichtbaren Markierungen daran, die nahelegen, dass da einer wirklich schlecht zugeschnitten hat. Und auch der König, der mit verquältem Blick schwer atmend die obere Plattform erklimmt, schickt sich nicht wirklich in seine Rolle. Zu klein ist der Wille, seine Pflicht gegenüber dem Staat zu erfüllen. Zu groß sind die Emotionen, die ihn an Gaveston binden: den Freund und Geliebten, den sein Vater noch auf dem Totenbett aus dem Land verbannt sehen wollte.

Christopher Marlowes Historiendrama "Edward II." von 1593 haben die Studiengänge Musical (der Theaterakademie August Everding) und Filmkomposition (der Münchner Hochschule für Musik und Theater) mit Songs von Sting kurzgeschlossen. Pate für "King" stand Stings "King of Pain", das nach dem Mord an dem unglücklichen Mann und miesen König überraschend wohlgelaunt und fidel dessen bis dato von allen instrumentalisierter Sohn Edward III. singt. Aber es gibt auch eine abgewandelte Version des liebestollen "Mad About You" und des "Englishman (in New York)", das der um das Wohl des Reiches besorgte Intrigant Mortimer in Gestalt des bereits diplomierten Solisten Peter Lewys Preston zu einer wunderbar ironischen, schmierig-blasierten Selbstentlarvungsnummer ausbaut. Inhaltlich wächst dem Abend aus Songzeilen wie "I guess I'm always hoping that you'll end this reign / but it's my destiny to be the king of pain" wenig Neues zu. Musikalisch machen die Anleihen bei Sting aber zumindest älteren Jahrgängen den Einstieg leichter.

Überhaupt ist nicht alles gelungen bei dem von Frieder Kranz inszenierten, hochschul- wie jahrgangsübergreifenden Crossover-Kraftakt. So lässt der Darsteller des Gaveston (Fabian Raup) als hemdsärmelig-gockeliger Provokateur zwar erkennen, warum der ganze Hof ihn hasst, aber nicht, was den König an ihn bindet. Katja Wachters Choreografie der vielen Kampfszenen bleibt weit hinter dem Niveau der unterweltlich betörenden Nornen-Tänze des Beginns zurück und etwas unglücklich auf halbem Wege zwischen Plausibilität und Abstraktion stecken. Und die teils zugespielte, teils live ergänzte (und improvisierte) Musik (Gesamtleitung: Christoph Weinhart, Komposition: Alexander Maschke und Dominik Schuster) wirkt durch das ausgiebige "Lalala-Wuhuhu" von bis zu einem Dutzend Backgroundsängern oft allzu poppig weichgespült, gewinnt aber vor allem durch die hoch konzentrierten Live-Schlagwerker Christina Lehaci und Marco Ullstein wieder an Dramatik.

Als Gesamtkunstwerk kann der Abend im Akademietheater also durchaus überzeugen, zumal er in dem Masterstudenten (und Schauspieler) Benjamin Oeser einen souveränen und stimmgewaltigen Protagonisten hat.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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