Kritik:Reizender Tod

Gerold Huber und Tareq Nazmi spielen in der Milla

Von Egbert Tholl

"Klassik Underground" klingt ja erst einmal urlässig. BR Klassik hat diese Reihe erfunden und lässt sich nicht lumpen, überträgt zwei Stunden live aus der Milla, dem schönen Club in der Holzstraße. Fürs Clubspezifische ist dabei auch gesorgt, ein DJ ist mit dabei, Francis B., der vorher auflegt und zweimal dazwischen, da gehen dann die Raucher zum Rauchen und die Trinker an die Tränke, während beim ersten Mal ein eher blumiger Vivaldi-Verschnitt läuft und beim zweiten Mal etwas ziemlich cooles Jazzbasiertes. Überhaupt Tränke: Das hat man in der Milla wohl auch noch nicht erlebt, dass während eines Konzerts der Barmann mit weichem Blick in die Ferne schaut und, angesprochen zwecks Bestellung, sein Gemüt unwillig und von sehr weit an den Ort seines beruflichen Tuns zurückkehrt.

Schuld daran sind Gerold Huber und Tareq Nazmi, die einen fabelhaft schönen Liederabend hier abliefern, der auch im "normalen" Konzertbetrieb außerordentlich wäre. Und zwar nicht, weil sie sich mit gefälligen Liedchen ans Publikum ranschmissen, sondern weil sie es mit großer Ernsthaftigkeit die Zuhörer zu äußerster Konzentration zwingen. Im Kern stehen drei Gruppen mit Schubert-Liedern, denen allen eines gemeinsam ist: Trauer ist noch ihre hellste Farbe. Wie Nazmi in "Meeres Stille" das Fast-Nichts gestaltet, wie er im "Zwerg" zu einem Moment heller, hymnischer Freude gelangt, das ist grandios. Nazmi ist ein Bass mit wunderbar gerade Stimme, kein Vibrato hilft ihm beim Schummeln, alles ist klar, erstaunlich hell, kernig natürlich auch. Und Pianist Huber ist ja ohnehin ein Schatz. Nach dem Konzert meint Marlis Petersen, die an diesem Abend gerade nicht die Lulu an der Staatsoper singt, er nehme sich der Stücke an wie ein Schauspieler seiner Rollen. Das trifft es sehr gut.

Viel Tod gibt es, Sehnsucht, Überwältigung, grandios das Heimweh des Totengräbers, dazwischen brilliert Huber für sich, Fritz Kreislers "Liebesfreud" und "-leid", er singt selber (!) auch noch etwas vom anderen Kreisler, Georg, singt vom "Guaden alten Franz". Nazmi beginnt mit Leporellos "Registerarie", singt den Banko aus Verdis "Macbeth", dunkle Momente größter Verzückung. Dazu plaudern beide offen und freundlich mit der gewitzten und charmanten Moderatorin Anna Novák - besser, reizender kann man Klassik seriös kaum vermitteln. Weiter so!

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