Kritik:Prägnant

Opernfestspiele: "Die Sache Makropoulos"

Von Klaus Kalchschmid

337 Jahre alt ist sie, die Protagonistin von Leoš Janáčeks Oper "Vĕc Makropoulos", aber das sieht man der gertenschlanken, kaltglühenden Nadja Michael in schwarzer Lederjacke nicht an. Im zweiten Akt trägt sie ein fließendes eierschalenfarbenes Kleid, das mehr ent- als verhüllt, und am Ende barfuß das kurze Nachthemd eines kleinen Mädchens.

Arpád Schilling hat im Nationaltheater eine Zeitreise inszeniert, die der schillernden, ebenso skurrilen wie tragischen Oper kongenial entspricht, in der eine Frau am Ende eines Jahrzehnte dauernden Erbschaftsprozesses von der Vergangenheit und ihren Dutzend Verkörperungen heimgesucht wird; einer Oper über den Fluch, unsterblich zu sein und das Glück, ein endliches Leben zu besitzen.

Dem entspricht das halb realistische, halb expressionistische Bühnenbild - gegenüberliegende hohe schwarze Marmor-Wände, innen rosa gepolstert - von Márton Ágh, der auch die stilistisch durch die Jahrzehnte wandernden Kostüme entworfen hat. Zu Beginn ist als symbolische Registratur dazwischen eine Stuhlskulptur eingelassen, am Ende fährt ein Grabmal hoch, in dem Elina von halbnackten Psychatriepflegern ausgepeitscht wird, bevor sie das gegen Sex mit ihrem Prozessgegner Jaroslav Prus (sehr finster: John Lundgren) errungene Rezept zur erneuten Lebensverlängerung an die junge karrieregeile Krista (Tara Erraught) weiterreicht und stirbt.

Janáčeks vorletzte Oper wurde zu Beginn der Spielzeit zum ersten Mal in München in der nach den Quellen der Uraufführung revidierten Fassung und im tschechischen Original inszeniert. Erneut war die Premierenbesetzung zu erleben, die noch prägnanter agierte als im Oktober. So auch Pavel Černoch mit flammendem Tenor als leidenschaftlich in Elina verliebter Albert Gregor oder Gustáv Beláček mit prägnantem Bassbariton als rührig aktiver Notar Dr. Kolenatý.

Wie genau Thomáš Hanus die komplexe Partitur kennt, deren Mitherausgeber er ist, konnte man während des ganzen Abends hören. Denn es war ein ziemliches Kunststück, wie sicher er mit dem exzellenten Staatsorchester die temporeichen Szenen und das enge Ineinander von kleinsten Instrumentalgesten mit dem Sprechgesang abzugleichen vermochte.

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