Kritik:Perfekt musiziert

Muti, BR-Chor und BR-Symphoniker

Von Andreas Pernpeintner

Riccardo Muti zuzusehen, wie er im Herkulessaal Schuberts Symphonie Nr. 4 mit dem BR-Symphonieorchester dirigiert, ist interessant. Man kann weder sagen, er würde mit seiner Gestik einen vehementen Puls vorgeben (obwohl der in den Ecksätzen definitiv präsent ist), noch, er fordere vom Orchester das von Schubert selbst so bezeichnete "Tragische" dieser c-Moll-Symphonie mit letztem Nachdruck ein. Oft sind es nur kleine Ereignisse, die er dezidiert vorgibt, und sei es ein einzeln dreinfahrender Basston der Celli. Das Ergebnis: eine hervorragende Darbietung. Wie gesagt, die Interpretation kommt ohne Forcieren aus, und häufig wäre ein dramatischeres Musizieren denkbar. Doch der Vortrag ist bis ins Detail präzise: dynamisch, ganz besonders die Phrasierungen betreffend.

Auch so entstehen Spannung und Plastizität, in den raschen Sätzen, aber auch im erdig rabiaten Menuett und im intim beginnenden, dann breit fließenden und sich verdunkelnden Andante. Das zentrale Ereignis des Abends ist jedoch Luigi Cherubinis "Messa per l'incoronazione die Carlo X". Einst als einer der Großen angesehen, ist Cherubini weitgehend in der Versenkung verschwunden - wenn nicht gerade Muti mit seinem Faible für vergessene Meister Italiens eines seiner Werke ausgräbt. Man muss sich den Anlass vergegenwärtigen, für den die Messe geschrieben wurde: die Krönung Karls X. in der Kathedrale zu Reims. Napoleon war erledigt, in Frankreich saßen wieder die Bourbonen auf dem Thron.

Umso erstaunlicher, wie ruhig und verbindlich die Messvertonung mit dem Kyrie beginnt. Cherubini bringt keine Gesangssolisten zum Einsatz, verlässt sich auf den dreistimmigen Chor (ohne Alt) und das Orchester. Trotzdem gibt es eine enorme Vielfalt an Klangregistern und Stimmungen, vom gleißend hellen Gloria über das von starken Kontrasten geprägte Credo bis hin zum leise verharrenden instrumentalen Marcia religiosa. Muss man sagen, dass der BR-Chor und das Orchester perfekt musizierten? Das kommt häufiger vor.

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