Am Ende fordert Don Giovanni nicht mehr die Lebenden und vor allem die Frauen, und auch nicht den Komtur, also den von ihm getöteten Vater Donna Annas, sondern gleich Gott heraus: in Gestalt eines steinernen Jesu, den er von der Wand holt, missbraucht und sich dann die Kugel gibt. Herbert Föttingers direkte, prägnant deutende Regie für Mozarts Oper hat genauso viel Tempo wie die Drehbühne (Walter Vogelweider) aus drei identischen weißen Räumen mit antikisierenden schwarzen Türen und die Musik, die unter Marco Comin vom Orchester des Gärtnerplatztheaters prall, knackig und doch differenziert aus dem Graben des Cuvilliés-Theaters tönt.
Schon die Ouvertüre hat enormen Drive, und selten gibt es danach Ruhepunkte, gerade mal beim feinen "Dalla sua pace" Don Ottavios (sehr klar und geradlinig: Lucian Krasznec), dem Don Giovanni (ein gefährlicher, schönstimmiger Normalo: Mathias Hausmann) hier gerührt über den Kopf streichelt; oder bei Juans zartem Ständchen, das er in den Laptop tippt und singt. Damit verführt er gleich alle drei Zofen, die hier die Designer-Koffer Elviras schleppen. Camille Schnoor gibt ihr flammende Mezzo-Glut und singt sich immer mehr in tiefe Verzweiflung; Jennifer O'Loughlins intensive Donna Anna ist nicht minder glühend Giovanni verfallen, hindert ihn zu Beginn mit allen erotischen Mitteln am Gehen und verrät ihn später aus Rache fürs Verlassenwerden.
Die Verlobungsparty des bäurischen Paars Zerlina (eine kühle Karrieristin im Sekretärinnenlook: Sophie Mitterhuber) und Masetto (ein hitziges Prackl: Matija Meić) gleicht einem entgleisten Junggesellenabschied mit Männlein wie Weiblein im kurzen Röckchen plus goldener Maske. Und wenn Giovanni mit Diener Leporello (ein sympathischer Nerd mit Kapuzenanorak und Laptop unterm Arm: Levente Páll) am Ende speist, sehen wir ein abstraktes Ritual, das sich die beiden wohl jeden Abend gemeinsam vorspielen - diesmal mit tödlichem Ausgang.