Kritik:Die Wanne ist voll

Gogols "Der Revisor" am Mainfranken Theater

Von Florian WelLE, Würzburg

"Angstfrei" hat Intendant Hermann Schneider seine letzte Spielzeit am Mainfranken Theater betitelt. Im Sommer wird er nach mehr als zehn Jahren in Würzburg nach Linz gehen. Und neben der Leiterin des Jungen Theaters, Nele Neitzke, nun auch die Person mitnehmen, mit der er sich seit 2013 die Bälle zuspielt: Stephan Suschke. Seit der Schauspieldirektor 2013/14 kam, ist ein programmatischer Faden erkennbar, den es so vorher nicht gab: Klassiker (Shakespeare), Komödien (Molière), Zeitgenössisches (Heiner Müller). Immer mit dem Ziel, politisch und unterhaltsam zugleich zu sein. Die letzten Spielzeiten standen unter den Mottos "Von Geld und Götzen" sowie "Krieg und Frieden".

Jetzt also "Angstfrei". Bei der Überschrift dürfte Suschke seine Finger mit im Spiel gehabt haben. In Gesprächen wird der Schauspielchef nicht müde zu betonen, dass es die größte Qualität seines einstigen Mentors Heiner Müller gewesen sei, ein angstfreies Klima herzustellen. Nur so könne ein Team produktiv arbeiten. Freilich spielt das Motto auch auf die schon sprichwörtliche German Angst an. Diese kann durch das befreiende Lachen der Komödie gebannt werden. Und so lässt Suschke gleich zur Saisoneröffnung Gogols "Der Revisor" tänzelnden Schrittes ins Große Haus einziehen, um eine ausgelassene Schaumparty zu feiern. Da die Figuren in Gogols 1836 uraufgeführter Komödie allesamt bestechliche Schaumschläger sind, denen nichts heilig ist, hat Momme Röhrbein die Bühne in eine überdimensionierte Whirlpool- und Saunalandschaft verwandelt. Pufftouch inklusive. Im Hintergrund verschließt eine Holzwand die halbseidene Szenerie - ihre zahlreichen Türen ermöglichen den Schauspielern jede Menge komödienhafter Auf- und Abtritte.

Suschke bedient die Verwechslungskomödie. Mehr noch: Er dreht das Rädchen einen gehörigen Tick weiter und landet mit dem lustvoll agierenden Ensemble schon nach wenigen Minuten bei der feuchtfröhlichen Farce. Das Provinzdorf, das hinter dem Neuankömmling Chlestakow fälschlicherweise den gefürchteten Revisor vermutet und sogleich zu katzbuckeln beginnt, ist ein Ort voller schmieriger, bekloppter und besoffener Knallchargen.

Der Stadthauptmann, der in dem Nest die Fäden zieht, wird gespielt von dem wunderbaren Georg Zeies. Dieser trägt hier blond wehendes Haar und ludenhafte Kleidung und erinnert so wohl nicht ganz zufällig an den Düsseldorfer Bordellbetreiber Bert Wollersheim. Seine Frau Anna Andrejewna und seine Tochter Marja Antonowna - Petra Hartung und Theresa Palfi - stehen dem Patriarchen in nichts nach: Leggings, Pumps, Bling-Bling. Kein Wunder, dass Chlestakow mit dieser Prolo-Russenschick-Sippe leichtes Spiel hat: Daniel Ratthei gibt überzeugend einen dummdreisten Aufschneider mit Machoallüren.

Blödeleien, Badeschaum und die Musik der Girlie-Band T.A.T.U.: Das alles ist amüsant anzuschauen und anzuhören. Die Trash-Schlagzahl, die Suschke anschlägt, lässt aber kaum Steigerungs-, geschweige denn Entwicklungspotenzial zu. So droht die Inszenierung immer wieder auf der Stelle zu treten. Unter die Räder ist auch gekommen: Gogols ätzende Schärfe. "Der Revisor" ist Suschke zu unterhaltsam und zu wenig politisch geraten.

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