Kritik an Kardinal Meisner:"Ein schlichter alter Mann"

Kardinal Meisners Äußerungen über "entartete Kultur" rufen immer mehr Kritiker - zum Teil auch aus den eigenen Reihen - auf den Plan: Eine Entschuldigung wird gefordert. Meisner indes bleibt dabei.

Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner stößt mit seinen umstrittenen Äußerungen zur Kultur auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst zeigte Unverständnis über die Verwendung des Begriffs "entartet" durch Meisner.

Kritik an Kardinal Meisner: Kardinal Meisner steht nach seinen Aussagen über "entartete Kunst" heftig in der Kritik.

Kardinal Meisner steht nach seinen Aussagen über "entartete Kunst" heftig in der Kritik.

(Foto: Foto: dpa)

Es sei "nicht nachvollziehbar", bei der Frage nach Nähe oder Distanz zwischen Kunst und Religion diesen Begriff zu verwenden, sagte der Oberhirte der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Fürst fügte hinzu, man könne es Kunstschaffenden nicht verdenken, wenn sie sich dadurch diffamiert fühlten. Fürst nahm seinen Kölner Amtsbruder aber teilweise auch in Schutz. Schließlich gebe es eine tiefe innere Nähe zwischen der Religion und der Kunst. Er verstehe das Anliegen Meisners, der den Zusammenhang von "Kultur und Kultus" betont habe, in diesem Sinne und könne es in dieser Interpretation bejahen.

Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, forderte heute eine Entschuldigung des Kardinals. "Was Meisner gesagt hat, war eindeutig. Wenn er das jetzt als Missverständnis darstellen möchte, dann wäre es besser, er würde sich für das, was er gesagt hat, entschuldigen", sagte Staeck im Kulturradio MDR Figaro.

Ein verkappter Neonazi sei Meisner deswegen sicher nicht, erklärte der Präsident der Akademie der Künste weiter. "Aber es gibt eine Ideologie, der man Vorschub leisten kann, und so wie er seine Worte wählt, kann man das durchaus als ein Vorschub leisten bezeichnen," kritisierte Staeck.

Der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano warf dem Kölner Kardinal "mangelndes Geschichtsbewusstsein" vor. "So sensibilisiert ein großer Teil unserer Gesellschaft ist, wenn es um Termini aus dem Nationalsozialismus geht, so unsensibel ist Kardinal Meisner", sagte der Publizist der dpa am Montag in Köln. "Das Ganze, was da unterbewusst und unbewusst noch vorhanden ist und herausschlüpft, ist das Erschreckende", erklärte Giordano.

Der kulturpolitische Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, reagierte indes mit Mitleid auf Meisners Äußerungen. Der 73 Jahre alte Meisner sei "ein schlichter alter Mann", sagte Sternberg dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Er glaube, die "indiskutable" Äußerung Meisners habe mit seinem Alter zu tun.

Die Deutsche Bischofskonferenz lehnt eine Stellungnahme zu den Äußerungen mit der Begründung ab, es handele sich um einen Vorgang im Erzbistum Köln, der nicht kommentiert werde.

Trotz der Kritik nimmt Kardinal Meisner seine Äußerung nicht zurück. Eine Sprecherin des Erzbistums sagte am Montag, Meisner habe sich nach der Welle der Empörung vom Wochenende nicht weiter von seiner Dienstreise in Rumänien aus zu dem Thema geäußert. Es bleibe bei den Worten aus seiner Predigt vom Freitag - "unabhängig von dem Hagel der Kritik".

Ein Sprecher des Kölner Erzbistums betonte, gemeint sei die gesamte Gesellschaft, die in einem "entgöttlichten Zusammenleben" degeneriere. "Wenn der Kardinal geahnt hätte, was er mit dem Wort 'entartet' auslöst, hätte er ein anderes genutzt - zum Beispiel 'verkommt'", meinte Sprecher Christoph Heckeley. Die Unterstellung, Meisner habe sich durch die Verwendung eines von den Nationalsozialisten missbrauchten Begriffs deren Sprache zu eigen gemacht, habe der Kardinal bereits klar zurückgewiesen.

Meisner hatte am Freitag in einer Predigt gesagt, dass Kultur bei einer Trennung von Kunst und Gottesverehrung "entarte". Später rechtfertigte er seinen Sprachgebrauch: "Ich wollte nur ganz schlicht damit sagen, wenn man Kunst und Kultur auseinanderbringt, dann leidet beides Schaden. Das war die schlichte Aussage dieser Passage."

Die Bezeichnung "entartet" ist untrennbar mit der Propaganda und Hetze der Nationalsozialisten verbunden. Sie hatten rund 16 000 moderne Kunstwerke - vor allem expressionistische und abstrakte Kunst - beschlagnahmt und zum Teil zerstört. Viele Künstler wurden von den Nazis verfolgt, mit Berufs- und Ausstellungsverbot belegt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: