Krimi-Neuerscheinungen:Die eiskalten Fünf

Eine mysteriöse Femme Fatale, nordirische Feindschaften und bizarre Morde auf der Wiener Opernbühne: Die SZ-Literaturredaktion hat die besten Krimis dieser Saison ausgewählt.

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John Banville alias Benjamin Black:Die Blonde mit den schwarzen Augen

John Banville: Die Blonde mit den schwarzen Augen

Quelle: Verlag Kiepenheuer & Witsch

Ein falscher und lauter echte Tote: Ein Mann ist spurlos verschwunden, wird aber von einer mysteriösen Femme Fatale gesehen. Die gibt zwar an, Zeugin seines Todes gewesen zu sein, lässt ihn aber trotzdem von einem Privatdetektiv suchen. Lügt sie? Oder hat Nico Petersen sein Ableben nur inszeniert, damit er untertauchen kann?

Der Detektiv, der das herausfinden soll, ist nur zu gut bekannt: Er heißt Philip Marlowe und ist das berühmte Private Eye aus den Hardboiled-Romanen von Raymond Chandler (1888-1959). Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Chandlers Tod ist eine der legendären Detektiv-Figuren des Genres nun wieder auferstanden von den Toten, zum Leben erweckt durch den irischen Schriftsteller John Banville. Der Roman ist gespickt mit Anspielungen und Referenzen auf die Marlowe-Krimis.

Und trotzdem: Bei aller Vintage-Romantik gerät Banvilles Hommage nie hölzern oder zu einem Chandler-Quiz für Connaisseure. "Die Blonde mit den schwarzen Augen" ist ein raffiniertes Vexierspiel, das den Leser selbst zum Spürhund macht.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Literaturchef Christopher Schmidt in der digitalen Ausgabe.

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Zoe Beck:Schwarzblende

Zoe Beck: Schwarzblende

Quelle: SZ

Zoe Beck greift in "Schwarzblende" auf einen realen Fall zurück: Im Mai 2013 wurde der britische Soldat Lee Rigby auf einer Straße in London von zwei Männern erstochen. Beck baut diese brutale Tat zu einem verzwickten Krimi aus, der im Grunde gar kein Krimi sein möchte. Denn bereits die ersten Seiten entlarven die Mörder. Vielmehr geht es darum, warum diese zwei Jungs taten, was sie taten, und wer oder was sie dazu gebracht hat.

Die Geschichte entwickelt sich schnell zu einem komplexen Gefüge, in dem sich die Guten von den Bösen nicht mehr unterscheiden lassen. Der Islamische Staat, der Dschihad, die Geheimdienste, die Medien.

Ohne Ausschweifungen, ohne Beschönigungen erzählt Beck eine aufwühlende Geschichte. Panikmache jedoch kennt der Roman nicht: Die Bloggerin, E-Book-Verlegerin, Journalistin und Schriftstellerin Beck seziert eine hypermediale Gesellschaft - irgendwo zwischen Enthauptungsvideos und Urlaubsselfies.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Rezensentin Julia Weigl in der digitalen Ausgabe.

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James Ellroy:Perfidia

James Ellroy: Perfidia

Quelle: Ullstein-Verlag

Los Angeles im Dezember 1941, kurz nach dem Schock von Pearl Harbor: Während die Stadt eine Invasion der Japaner fürchtet, wird eine japanische Familie ermordet. Bei der Aufklärung des Falls passieren hässliche Dinge. Japaner werden haufenweise verhaftet, enteignet, gekillt und Faschisten planen skrupellose Intrigen.

Mit "Perfidia" startet James Ellroy ein Wahnsinnsprojekt: ein neues L. A.-Quartett, das von Krieg und Nachkrieg erzählt. Zusammen mit dem legendären ersten Quartett und der anschließenden Underworld USA-Trilogie werden die elf Bände ein mehrtausendseitiges Epos über Amerikas hitzigste Epoche des 20. Jahrhunderts ergeben.

Stärker als zuvor bringt Ellroy in "Perfidia" fiktive Figuren mit historischen Hollywood-Stars zusammen: Rachmaninow erlebt man bei der Gartenarbeit, Salvador Dalí gestaltet ein Deckenfries für die Prachtzelle eines Mafiagangsters und Bette Davis ist die Geliebte des ermittelnden Detektivs. Ein hitziges Liebeslied auf die Stadt Los Angeles.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Literaturkritiker Fritz Göttler in der digitalen Ausgabe.

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Adrian McKinty:Die verlorenen Schwestern

Adrian McKinty: Die verlorenen Schwestern

Quelle: SZ

Am Beginn von "Die verlorenen Schwestern" brechen 38 IRA-Häftlingen aus dem Hochsicherheitstrakt des nordirischen Gefängnisses Maze aus. Einer der intellektuellen Köpfe und führender Bombenbauer der IRA, ist dabei. Und weil der sein Schulkamerad war, wird Detective Sean Duffy vom britischen Geheimdienst reaktiviert.

Duffy ist Polizist, Katholik inmitten protestantischer Kollegen. Feindschaft gibt es reichlich im Nordirland der Achtzigerjahre. Außerdem Arbeitslosigkeit, Hungerstreiks und Plastikbomben. Aber Sean Duffy hat in nunmehr drei Romanen so viel Statur gewonnen, dass Adrian McKinty sich (und dem Leser) den Spaß macht, ihm einen zweiten Fall aufzubürden: Ein "locked-room"-Rätsel, wie Miss Marple sie in Agatha-Christie-Romanen zu lösen pflegt.

"Die verlorenen Schwestern" ist ein witziges, selbstironisches Doppelspiel mit viel Action und einem sehr genauen Blick für Klassenverhältnisse und soziale Hierarchien.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Literaturkritiker Lothar Müller in der digitalen Ausgabe.

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Theresa Prammer:Wiener Totenlieder

Theresa Prammer: Wiener Totenlieder

Quelle: SZ

Wo ließe sich schöner morden als auf der Opernbühne? Mit Orchestermusik. Vor Publikum! Theresa Prammer hat das messerscharf erkannt und einen Krimi geschrieben, der jedes Libretto alt aussehen lässt.

Prammer ist Wienerin, 1974 kam sie hier zur Welt. Deswegen bleibt ihr Debüt-Krimi mit seinen vielen bizarren Kleinideen wohltuend wienerisch und unskandinavisch. Ihre Protagonistin und Ich-Erzählerin Lotta Fiore ist ein wildes Huhn. Mitte, Ende zwanzig, verwaiste Tochter einer weltweit gefeierten Opernsopranistin und: Trinkerin. Ihren Schnaps finanziert sie sich als Kaufhausdetektivin in einem Möbelgroßmarkt.

Doch dann kommen die Morde an der Wiener Oper ins Spiel. Was ein Unfall ist, was ein Mord, es ist irgendwann egal. Wenn Wolf Haas' Brenner ein weibliches Pendant suchte oder, noch besser, eine Partnerin zum Duett, voilà: Theresa Prammer kann ihre Lotta Fiore sofort zum Vorsingen schicken.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension von SZ-Rezensent Rudolf Neumaier.

© SZ.de/khil
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