Krimi-Kolumne:Bill Moody lässt einen Spion Jazz spielen

Prag im August 1968: Die CIA will herausfinden, wann die Sowjets denn nun einmarschieren wollen.

Von Fritz Göttler

"Hören Sie", sagt der junge Mann, der in die amerikanische Botschaft in London bestellt wurde und dort von einem CIA-Mann gebeten wird, ein wenig bei der heimlichen Informationsbeschaffung mitzuhelfen in Prag, "ich verstehe Ihr Anliegen, aber ich bin einfach . . ." Dann hält er inne und versucht, seine Absage mit einer Anleihe bei Herman Melville elegant zu gestalten: "Ich möchte lieber nicht."

Der Mann ist der amerikanische Schlagzeuger Gene Williams, auf dem Weg zum Internationalen Jazzfestival in Prag, er hat in London Zwischenstation gemacht und im berühmten Club Ronnie Scott's spielen dürfen. Es ist Mitte August 1968, die Sowjets sind schon ziemlich gereizt wegen der Reformen Alexander Dubčeks und bereiten den Einmarsch in die Tschechoslowakei vor, das weiß die CIA, aber was sie nicht weiß und unbedingt rauskriegen muss, ist der Zeitpunkt. Der Informant in Prag allerdings besteht darauf, unbedingt einen Kontaktmann zu bekommen, der nicht aus den Reihen der Agency ist.

Es ist natürlich nicht das letzte Wort, das Gene Williams - er trägt den Vornamen in Erinnerung an den großen Gene Krupa - in Sachen CIA-Kollaboration sagen kann. Er fährt nach Prag, nimmt dann doch Kontakt mit dem CIA-Informanten dort auf, der wird ermordet, Gene wird vom feindlichen Geheimdienst in die Zange genommen, er muss nun also Eigeninitiative entwickeln und steigt schließlich gar zu Dubček ins Auto . . .

Bill Moody, Jahrgang 1941, hat selbst am Schlagzeug beim Internationalen Jazzfestival in Prag gespielt - man war durchaus begierig in den Sechzigern auf die neue Musik aus dem Westen - und hat den Einmarsch selbst miterlebt. 1987 hat er den Roman dazu geschrieben, der allerdings damals, weil der vorgesehene Verlag abbrannte, nicht erscheinen konnte. Moody hat dann für eine Serie von Krimis den detektivischen Jazzpianisten Evan Horne kreiert, sieben Romane, von denen drei auch auf Deutsch herauskamen. 2012 hat sich dann auch ein Verlag für "Der Spion, der Jazz spielte" gefunden.

Das Buch hat den Rhythmus einer Jazzperformance, ganz liebevoll, ein wenig introvertiert: "Der Bassist spielte eine solide, dröhnende Walking Line. Mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen bot der Pianist den Bläsern Akkorde an wie ein Handelsreisender, der mit seiner Mustermappe hausieren ging. Wie wär's mit diesem? Nein? Ok, dann versuch's mal mit dem hier. Gene spürte dem Puls nach, schlug auf das Ride-Becken und hielt alle im Zaum . . ." Hier müssen die Professionals und die Amateure zusammenarbeiten, das geht nur mit Improvisation. Was die Professionals immer wieder überfordert und die Amateure angenehm stimuliert. Natürlich hat der CIA-Mann in der Londoner Botschaft Gene gleich verstanden und kontert mit dem Titel der Melville-Geschichte: "Bartleby."

Bill Moody: Der Spion, der Jazz spielte. Kriminalroman. Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Polar Verlag, Hamburg 2015. 279 Seiten, 14,90 Euro, E-Book 12,90 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: