Krimi-Genres:Tierisch, historisch, kulinarisch

Wenn Schafe ermitteln, Kommissare kochen, Extrem-Alpinisten morden und der Thriller zum Reiseführer wird. Ein Überblick über die erfolgreichsten Krimis-Genres.

Von SZ-Autoren

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Historischer Krimi

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Quelle: SZ-Grafik

Wer über die Vergangenheit schreibt, hat Marcel Reich-Ranicki einmal gesagt, will etwas über die Gegenwart sagen. Nur was? Bei den Krimis, die zu Zeiten der Rosenkriege, des Vesuv-Ausbruchs oder im Berlin der Zwanzigerjahre spielen, weiß man das nie genau. Nur, dass sich die Bücher schon optisch ähneln wie die Pharaonengräber, die oft Schauplatz sind. Düster-schwarze Cover mit gelb angeleuchteten Schriftrollen, einem Globus oder dem Gemälde einer Frau drauf, die irgendwann als Leiche einen pestverseuchten Fluss hinabtreiben wird. Dazu Geschichten, die Geschichte sein könnten, es aber nicht sind, weil in historischen Krimis geredet wird wie in den Einspielfilmen von "Aktenzeichen XY". ",Bitte', stieß sie hervor. ,Ich tue alles.' - 'Zu spät.' Damit traf sie ein weiterer Schlag." (Kirsten Riedt, "Die Hure von Bremen") Die historische Kulisse ist dabei Fluch und Segen. Fluch, weil Epochen wie der germanische Winter 69 nach Christus oder die Hoyaer Fehde (dreizehnhundertirgendwas) auch ohne rätselhafte Morde sehr speziell sind. Segen, weil man den guten alten Zeiten viel vergibt, auch schlechte Plots. Selbst die gelungenen Historienkrimis, also die von Robert Harris und die besseren Bücher von Dan Brown, wirken oft so, als hätte jemand einfach alle Verschwörungstheorien zusammengeworfen, die im Umlauf sind. Also, dass es eine Päpstin gab, der Heilige Gral noch irgendwo stecken muss oder Jesus ein Kind mit Maria Magdalena hatte, dessen Nachkommen später die Kreuzritter auf den Plan rufen würden. Als Leser denkt man: Das hätte man sich eigentlich selbst im Internet zusammengoogeln können. Und das ist es wohl auch, was einem diese Bücher über die literarische Gegenwart sagen wollen.

Verena Mayer

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Bergsteigerkrimi

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Quelle: SZ-Grafik

Sport ist Mord, sagt ein geflügeltes Wort. Und wo könnte der Todesfaktor größer sein als beim Bergsteigen? Kaum ein Ort scheint sich ja besser zu eignen für einen Mord als das Hochgebirge: einfach kurz schubsen, das Seil durchschneiden oder einen Haken lockern, schwupps, ist das Opfer weg. Da gibt es Schlingen, die sich zuziehen, rote Fäden, Cliffhanger, verdächtige Seilschaften, schmale Logik-Grate, seelische und felsige Abgründe. Und der Begriff "Fall" hat ja immer viele Bedeutungen. Berg-Verlage wie Rother, die ihr Geld bisher mit seriösen Wanderführern verdient haben, setzen im Zuge der Regionalisierung und Spezialisierung des Krimi-Genres deshalb verstärkt auf den Bergkrimi. Die Titel heißen "Karwendelgold - tödliches Geheimnis", "Abgrund - Tobs Thanners erster Fall" oder "Mutig aber tot - Mord am Grödnerjoch". In den Geschichten stürzen Kletterpartner auf mysteriöse Weise ab, es geht um Intrigen, Eifersucht, Wilderei und manchmal auch um sagenhafte Schätze. Die Hauptfiguren: kletterbesessene Ex-Polizisten, bergbegeisterte Privatdetektive, todessüchtige Extrem-Alpinisten. Das beste Gespür für den speziellen Alpen-Rhythmus hat übrigens immer noch Wolf Haas mit seinen Brenner-Romanen. Ansonsten gilt für viele sogenannte Alpenkrimis: wenn Gänsehaut, dann lieber nur von den Morgentemperaturen.

Titus Arnu

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Tierkrimi

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Kunden, die einen Schafkrimi gekauft haben, kauften auch: einen Gänse-, Enten-, Schweine-, Mops-, Klosterkatzen-, und sogar einen Insektenkrimi. Sagt Amazon. Seit sich Krimiautoren darauf verlegt haben, weniger Zeit auf klug komponierte Kriminalfälle zu verwenden und stattdessen lieber nur die Kulissen zu verschieben, kommt nicht nur jede Stadt, sondern auch jede Tierart in die Verlegenheit, Zeuge einer Mordserie zu werden. Ermittelnde Tiere, die kraft ihrer gattungseigenen Talente Bösewichte zur Strecke bringen, haben aber schon im Fernsehen nicht wirklich überzeugt - und da waren sie wenigstens noch nett anzusehen: Rin Tin Tin, Flipper, Kommissar Rex, alles unerträgliche Streber und Moralisten! In Krimiprosa gehen derlei Experimente fast immer in Tateinheit mit betulich-infantilem Landlust-Tonfall einher und einem unvermeidlichen Stallhumor. Aber klar, das Privatfernsehen hat einst die goldene Regel für Boulevardnachrichten geprägt, nach der "Tiere, Tote und Titten" immer ihr Publikum finden würden. Kein Wunder also, dass die Kombination "Tiere und Tote" so erfolgreich ist.

Max Scharnigg

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Kochkrimi

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Quelle: SZ-Grafik

Es passiert auf dem Wurstmarkt von Bad Dürkheim oder während der Eisweinlese am Kloster Calvarienberg: das Verbrechen. Am Tatort begegnet man meist einem Edelwinzer, einem Spitzenkoch, einer Patissière oder einem Gastrokritiker. Mal als Mörder, mal als Leiche. Was aber sozusagen wurscht ist, denn in den meisten "Kulinarik-Krimis" geht es nicht um Handlungen oder Charaktere. Sondern darum, aus den angesagten Zutaten "Food" und "Krimi" einen möglichst sättigenden Einheitsbrei zu machen. In der Hoffnung auf pekuniären Mehrwert, der leider selten auch als literarischer Nährwert wahrzunehmen wäre. Wer sich durch so manchen "Kloß mit Soß"-Titel liest, hat anschließend sogar das Bedürfnis nach einer radikalen Null-Diät. Wobei es auch Ausnahmen gibt: Wenn etwa Tom Hillenbrand seinen Koch Xavier Kieffer ermitteln lässt, dann nimmt man die üblichen Gespreiztheiten à la "Der Geschmack des Tagiasca war völlig anders, mildsüß, mit einer fruchtigen Note" gern in Kauf. Denn seine Figuren sind interessant - und die Storys spannend. Das würde eigentlich auch schon sattmachen.

Gerhard Matzig

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Regionalkrimi

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Quelle: SZ

Genau genommen, waren bis auf wenige Ausnahmen alle erfolgreichen Kriminalromane immer auch Regionalkrimis. Raymond Chandlers raubeiniger, mitfühlender wie sarkastischer Privatdetektiv Philip Marlowe war stets in Los Angeles unterwegs, Chandlers Kriminalromane waren also auch Bücher über die Topografie der Stadt der Engel, über Hollywood, über Santa Monica. Georges Simenons Kommissar Maigret machte zwar auch Ausflüge nach Holland und sogar bis nach Arizona und New York, aber kaum ein Kriminalbeamter war wohl so mit einer einzigen Stadt verbunden wie der Leiter der Pariser Mordkommission. Generationen von Lesern haben die Schauplätze von Maigrets Einsätzen, die Bistros und Restaurants, angeführt von der legendären Brasserie Dauphin, mit den Büchern und Stadtplänen in der Hand abgeklappert. Für manchen Leser ist dieses Aufscheinen von real existierenden Orten sogar ein wichtiges Qualitätsmerkmal, hier stimmen alle Fakten, sagen sie gern. Doch immer mehr Regionalkrimis machen sich diese Sehnsucht, die eigene Lebenswelt in Krimis wiederzuerkerennen, zu eigen und benutzen reale Kulissen als Wohlfühlfaktor oder setzen auf den sentimentalen Wiederkennungswert für literarisch angehauchte Fremdenführer. Jede Stadt braucht ihren eigenen Krimi? Nein, genauso wenig wie jede Stadt einen eigenen ARD-"Tatort" braucht.

Harald Hordych

© SZ.de/cag
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