Kriegsverherrlichung in der Kunst:Prost Propaganda!

Propeller rotieren für den Sieg: Das Deutsche Historische Museum zeigt Kunst und Agitprop von 1930 bis 1945 aus Italien, Deutschland, der Sowjetunion und den USA.

Franziska Augstein

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten amerikanische Offiziere in Deutschland viele hunderte Gemälde und andere Kunstobjekte aus dem Besitz des Dritten Reiches. Man wollte sich ein Bild davon verschaffen, was die Nazipropaganda hervorgebracht hatte. 1946 fand in drei unzerstörten Räumen des Frankfurter Städelmuseums eine kleine, nur für die Besatzer gedachte Ausstellung statt. Sie war ein Vorläufer der Schau, die am Freitag im Deutschen Historischen Museum in Berlin eröffnet wird: "Kunst und Propaganda im Streit der Nationen. 1930 - 1945". Der größte Teil des Materials wurde der Bundesrepublik später zurückgegeben. Es lagerte jahrelang im Münchner Hauptzollamt, bis es schließlich dem Deutschen Historischen Museum übergeben wurde, mit der Auflage, all die Plakate, Pamphlete, Aufrufe, Bilder museal zu erschließen.

Propaganda Kriegsverherrlichung in der Kunst DHM

Die Grundi war die schönste Zeit - Mythenbildung im Bild von Tom Lea

(Foto: Foto: DHM Katalog)

Die Ausstellung, die jetzt eröffnet wird, endet mit der Erinnerung an diese "Raubkunst". Sie ist in Zusammenarbeit mit dem Wolfson Museum in Miami entstanden: Der Unternehmer Mitchell Wolfson sammelt seit einigen Jahrzehnten Artefakte der Propaganda. Anlässlich der Pressekonferenz am Mittwoch waren Mitchell Wolfson, Abgesandte des Museums und David Dermer, der Bürgermeister von Miami Beach nach Berlin gereist. Nachdem die gute Kooperation von allen Seiten gepriesen worden war, erhob sich Bürgermeister Dermer und erklärte, er wolle nun dem Direktor des DHM ehrenhalber den Schlüssel seiner Stadt übergeben. Hans Ottomeyer verstand nicht sogleich. Die Idee, ein junger Ort wie Miami Beach könne ein Stadttor jemals gehabt haben, zu dem es einen Schlüssel geben könne, der als Mitbringsel seinen Weg über den Atlantik macht, leuchtete ihm, dem Freund der historisch akkuraten Betrachtung dinglicher Details, sichtlich nicht ohne weiteres ein. Der Amerikaner für sein Teil war ein wenig enttäuscht, weil nur ein einziger Photograph im Saal war, um den denkwürdigen Moment festzuhalten.

Das DHM, die Wolfson Collection und andere Museen in aller Welt haben die vierhundert Bilder, Statuen, Pläne und Plakate zur Verfügung gestellt, die im Souterrain des Pei-Baus zu sehen sind, allesamt Werke, die von Seiten des Staates in Auftrag gegeben oder zumindest staatlicherseits gebilligt wurden. Die Schau behandelt vier Länder: Deutschland, die USA, die Sowjetunion und Italien. Dass die USA neben den drei totalitären Systemen auch vertreten sind, wird daran liegen, dass die Ausstellung späterhin dort zu sehen sein soll. Ottomeyer verwies auf Vergleiche zwischen dem New Deal Franklin Delano Roosevelts und den europäischen Totalitarismen, die der Historiker Wolfgang Schievelbusch in einem nicht ganz unumstrittenen Buch gezogen hat.

Gern hätte man gesehen, inwieweit und in Bezug auf welche politischen oder sozialen Fragestellungen solche Vergleiche sinnvoll sind: Ergaben sich die Formen der staatlichen Propaganda aus den jeweils herrschenden Systemen? Oder entsprachen sie der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Moskau bis Washington vorherrschenden Mentalität, dem Geschmack? Auf diese Fragen gibt die Schau leider allenfalls ansatzweise Antworten.

Die ständige Ausstellung des DHM hat Ottomeyer unter das Credo gestellt, die Objekte sollten nicht zuletzt aus sich selbst heraus wirken. Weil ihm dies hier und da vorgehalten wurde, legte er nun großen Wert darauf, dass es bei der neuen Schau anders ist: Alles habe man getan, um die Objekte nicht als Kunstwerke, sondern als Spiegel politischer Bedürfnisse zu präsentieren. Vor allem hat man die Bilder an Stellwände gehängt, die in unterschiedlichen Farben marmoriert sind, ähnlich den früher gängigen billigen Wandanstrichen, auf denen Schmutzspuren nicht auffallen, weil die Farben in sich unruhig genug sind.

Die Ausstellung ist nach vier größeren Themen sortiert: Darstellungen des Staatschefs; Bilder von Mensch und Gesellschaft; Bilder von Arbeit und Aufbau; Kriegsbilder. Ottomeyer resümierte: Alle vier Staaten hätten große Bauprojekte ins Auge gefasst. In allen sei die "Kleinfamilie als Nukleus des Staates" gern gezeigt worden. Alle hätten die Landwirtschaft und das Landleben ebenso gefeiert wie die Industrialisierung. Der Arbeiter und der Soldat seien beliebte Figuren gewesen. Der Kurator Hans-Jörg Czech erklärte, dass allen ikonographischen Parallelen zum Trotz die amerikanische Propaganda dem "demokratischen Anliegen der USA verpflichtet" gewesen sei. Gut, das möchte man annehmen. Aber woran zeigt es sich?

Liebenswürdige Landesväter

Illustriert wird es etwa durch ein Porträt Roosevelts, auf dem er weise-liebenswürdig an seinem Schreibtisch sitzend zu sehen ist. Stalin, Hitler und Mussolini hingegen werden durch martialische, herrschaftliche Darstellungen repräsentiert (Hitler einmal in der Pose, in denen die Habsburgerkaiser ihre Audienzen abzuhalten hatten: stehend, eine Hand in die Seite gestützt, die andere auf einem Podest ruhend). Das berühmte Plakat, auf dem Stalin - genau wie Roosevelt - als liebenswürdiger Landesvater an seinem Schreibtisch vor dem Fenster sitzt, hat man indes in dieser Sektion nicht aufgehängt. Deutlicher wird der Unterschied der Systeme anhand der Photographien, die das Elend der amerikanischen Landarbeiter illustrieren. Nach welchen Kriterien die hier gezeigten Werke ausgewählt wurden, wird insgesamt aber nicht recht klar. Da man den thematischen Vergleich als strukturierendes Prinzip gewählt hat, wäre es wünschenswert gewesen, wenn dieser Vergleich systematischer durchgeführt worden wäre.

Eines freilich macht die Schau sehr eindrucksvoll deutlich: Die Nazikunst brachte mit Abstand die übelsten Machwerke hervor. Selbst noch die Werke des sozialistischen Realismus, die hier hängen, sind um vieles besser als die schwülstig-verlogene NS-Kunst, die sich mit der Darstellung glücklicher Bauernfamilien nicht genug tun konnte in einer Zeit, da die meisten Deutschen nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiteten.

Der italienische Futurismus ist mit einigen interessanten Werken vertreten. Eine andere Richtung der Moderne verfolgte Antonio Giuseppe Santagata, dessen Bildnis eines Skiläufers 1934 von der Genueser Galleria d"Arte Moderna gekauft und als "skifahrender Avantgardist" inventarisiert wurde. Dass die futuristischen Maler vom Staat zunehmend ausgegrenzt wurden, steht zwar in dem vorzüglichen Katalog zu lesen, schlägt sich in der Ausstellung jedoch nicht deutlich nieder. Ähnliches gilt für die sowjetische Kunst, deren Formenreichtum im sozialistischen Realismus unterging.

Hans Ottomeyer hatte eingangs erklärt, die zwischen 1930 und 1945 verbreitete Form staatlicher Propaganda gebe es heutzutage "nur noch in Nordkorea und anderen asiatischen Ländern". Sofern er damit die Verherrlichung der politischen Führungsclique meint, mag er recht haben. Aber dass es bei uns und andernorts keine staatliche Propaganda mehr gebe, kann man wirklich nicht sagen.

Die Ausstellung "Kunst und Propaganda im Streit der Nationen. 1930 - 1945" ist im Deutschen Historischen Museum in Berlin bis 29. April zu sehen. Info: Tel. 030-203040; www.dhm.de. Der Katalog kostet 34 Euro.

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