Archäologie:Kulturgüter lassen sich durchaus schützen

Archäologie: Viele Museen, archäologische Stätten und Denkmäler werden nach wie vor durch Kampfhandlungen zerstört: ein irakischer Soldat im schwer beschädigten Museum von Mossul.

Viele Museen, archäologische Stätten und Denkmäler werden nach wie vor durch Kampfhandlungen zerstört: ein irakischer Soldat im schwer beschädigten Museum von Mossul.

(Foto: Felipe Dana/AP)

Die Zerstörung Mossuls wirft die Frage auf: Was kann eine Gemeinschaft unternehmen, wenn ihr kulturelles Erbe bedroht wird?

Gastbeitrag von Friederike Fless

Nach der Befreiung der irakischen Stadt Mossul sind die Zerstörungen durch den sogenannten Islamischen Staat in ihrem ganzen dramatischen Ausmaß erkennbar. Im Museum der Stadt begannen die Terroristen Anfang 2015 mit der gezielten Vernichtung von Kulturgütern. Sie zerschlugen Statuen, zerstörten Vitrinen und Objekte. Bald darauf verwüsteten sie aber auch archäologische Stätten wie Nimrud und Hatra sowie Kirchen, schiitische Schreine, Moscheen und viele andere heilige Stätten. Es war der Beginn einer kulturellen Säuberung, bei der die Auslöschung der kulturellen und religiösen Vielfalt mit der Vertreibung und Ermordung ganzer Bevölkerungsgruppen einherging.

Der IS zerschlug aber nicht nur das kulturelle Erbe, sondern verkaufte ganz offensichtlich archäologische Objekte, auch um den Terror zu finanzieren. Als im März die ersten Bilder aus dem Museum von Mossul zu sehen waren, wurde deshalb auch die Diskussion um den Kulturgüterschutz intensiver. Das Thema prägte die Diskussionen der ersten G-7-Kulturministerkonferenz in Florenz, die in eine "Gemeinsamen Erklärung von Florenz" mündete. Im Juli stellte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici neue Maßnahmen der EU im Kampf gegen die Terrorismus-Finanzierung durch den illegalen Handel und Schmuggel von Kulturgütern vor. Bei der künftigen EU-Importverordnung geht es unter anderem um zusätzliche Auflagen für Mittelsmänner wie Antiquare, Händler oder Kunstgalerien.

Diese politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind grundlegend für wirksame Maßnahmen zum Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes. Was aber kann die Gemeinschaft unternehmen, wenn eine Stadt und ihre kulturellen Stätten so bedroht sind, wie Mossul es war?

Der lange Weg zur Befreiung Mossuls war nur mit militärischen Kräften möglich. In solchen akuten Konflikten ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, gegen das Zerstörungswerk extremistischer Terrororganisationen vorzugehen. Doch bedeutet dies nicht, dass man zum Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes überhaupt nichts beitragen kann. Kulturgüter lassen sich durchaus schützen.

So wurde der Kulturgutschutz 2013 durch die Vereinten Nationen für einen Blauhelm-Einsatz in Mali verankert. Die "Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali" verhindert seit 2013 erfolgreich eine Wiederholung des Zerstörungswerks wie in Timbuktu 2012. Dafür müssen Blauhelme geschult und trainiert werden.

Im syrischen Ma'ara wurden Mosaiken durch Sandsäcke und Mauern geschützt

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben jedoch auch gelehrt, dass oft zivile Akteure mitgeholfen haben, das kulturelle Erbe zu schützen. So sehr es zu begrüßen ist, wenn die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Juli in einer Rede vor dem Europäischen Parlament eine Initiative für eine aktivere Rolle der EU beim Kulturgutschutz ankündigt, so sollte diese Initiative doch auch die Vielfalt der zivilen Akteure mit einbeziehen. Wie dies aussehen könnte, zeigen wiederum die internationalen Anstrengungen durch Initiativen, die im Irak seit dem Irakkrieg von 2003 und in Syrien seit 2011 viele Denkmäler vor ihrer Zerstörung bewahrt und zu ihrem Erhalt beigetragen haben.

Das kulturelle Erbe des Irak und Syriens war und ist schließlich nicht allein durch die islamistischen Terroristen bedroht. Viele Denkmäler werden nach wie vor bei Kampfhandlungen zerstört. Um Denkmäler wirksam zu schützen, bedurfte und bedarf es eines großen lokalen Engagements. Dabei reichen oft einfache Dinge. Manche Objekte lassen sich beispielsweise durch Sandsackwände, Mauern, eine gute Verpackung und andere, sehr simple Sicherungsmaßnahmen vor dem Schlimmsten bewahren. Im Mosaik-Museum in Ma'arra im Norden Syriens beispielsweise wurden die Werke auf diese Weise vor der Zerstörung bewahrt. Die Menschen in Ma'arra haben mit ein wenig Material und etwas Schulung durch internationale Experten Großartiges geleistet.

Es gibt also durchaus die Möglichkeit, Kulturgüter in Konfliktsituationen zu schützen. Am besten werden dazu Fähigkeiten und Kenntnisse bereits vor möglichen Konflikten gefördert, alle Bemühungen sollten koordiniert werden, und schon zu Beginn einer Krise sollte das Augenmerk auf jenem Moment liegen, an dem man wieder ohne Lebensgefahr arbeiten kann.

In der Region von Mossul, in der auch die bedeutenden Ruinen von Nimrud und Hatra liegen, konnten deutsche Archäologen seit dem Irakkrieg von 2003 nicht mehr langfristig in internationalen Kooperationen mit den irakischen Kollegen arbeiten. Der "Islamische Staat" löste zudem mit der Bekanntmachung Nr. 6 am 18. Oktober 2014 die Fakultäten für Kunst und Archäologie auf. Die Bekanntmachung galt als Befehl und war verpflichtend. Zuwiderhandlung war strafbar.

In Mossul fehlt es den Denkmalämtern derzeit an allem

Seit Jahren wurden in Mossul also keine Experten mehr ausgebildet. Wie Kollegen in der Stadt dieser Tage berichteten, hat der IS zudem die Instituts-Bibliothek verbrannt und das Museum inklusive der Verwaltungsunterlagen komplett geplündert und vernichtet.

Im Jahr 2003 befanden sich viele Regionen des Irak in einer ganz ähnlichen Lage. Damals bat der Irak die Unesco um Hilfe. Eine internationale Kommission wurde eingerichtet, die den Irak in allen Feldern des Schutzes und Erhalts des Kulturgutes unterstützte. Margarete van Ess hat sich damals als Direktorin am Deutschen Archäologischen Institut zur Förderung der Aus- und Weiterbildung verpflichtet. Ziel war es immer, mit irakischen und deutschen Kollegen Kapazitäten im Irak auf- und auszubauen und den Aufbau von Forschungseinrichtungen zu unterstützen.

Ein Ergebnis dieser Arbeit ist das Irakisch-Deutsche Zentrum für Archäologie und Assyriologie, das im Juli auf dem Campus des College of Arts der Universität Bagdad eröffnet wurde. Die irakische Universität stellt das Gebäude zur Verfügung, Deutschland hilft bei der Ausstattung. Forschung und Ausbildung erfolgen in gemeinsamen Programmen. Der Präsident der Universität kann sich mehr internationale Studienprogramme vorstellen, damit bereits die Studierenden mit den internationalen wissenschaftlichen Entwicklungen vertraut gemacht werden können.

Doch nicht nur die Studierenden und die Forschung sind wichtig, sondern auch ein Austausch mit den Praktikern in den Denkmalämtern des Irak. Sie werden beispielsweise im Rahmen des Projektes "Die Stunde Null" aus- und weitergebildet, welches das Auswärtige Amt unterstützt. An diesem Kurs nimmt auch der Kollege aus Mossul teil, der zusammen mit den anderen irakischen Kollegen deutlich formuliert, wie die Situation ist und was sie brauchen. Denn in Mossul fehlt es an allem, an Verwaltungsunterlagen, einer Bibliothek, an Geräten zur Dokumentation, aber auch am Zugriff auf Archive, die anderswo lagern - es fehlt ein modernes digitales Denkmalregister. Der Bedarf an Trainingsprogrammen für die Dokumentation von Schäden, die Konservierung und Restaurierung, für die Planung eines Wiederaufbaus und schlicht für die Ausbildung von Experten und Handwerkern ist gewaltig.

Syrische Experten lernen in der Türkei, wie man Schäden an Gebäuden beurteilt

Aber auch die Sicherung der Ruinen ist wichtig. Viele Grabungswächter haben unter Einsatz ihres Lebens ihre Ruine gegen den IS geschützt. Nicht wenige wurden dabei vom IS ermordet. In Jordanien beispielsweise bildet das Deutsche Archäologische Institut syrische Flüchtlinge zu Steinmetzen aus, natürlich zusammen mit Jordaniern. In einem Stipendienprogramm in der Türkei lernen syrische Architekten, wie man mit beschädigter Architektur umgeht, außerdem bietet ein deutsches Netzwerk von Experten Kurse für syrische Kollegen an, um sie in der Dokumentation und Beurteilung von Schäden an Gebäuden zu schulen.

Alle Nationen, die seit 2003 den Irak unterstützt haben, sind bereit, dabei zu helfen. Margarete van Ess sammelt zwar schon seit 2003 Bücher für den Irak, aber sie werden nie ausreichen, um genügend Forschungs- und Informationseinrichtungen im gesamten Irak aufzubauen. Deswegen wird in die Vernetzung mit internationalen Initiativen und Datenservern investiert. Wichtig ist, dass die lokale Bevölkerung und die Behörden unterstützt werden. Aktiver Schutz des Kulturerbes findet im Land selbst statt - alle anderen können nur helfen.

Die Autorin ist Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin.

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