Kooperation:Fasziniert von Licht und Farbe

"Mentales Gelb. Sonnenhöchststand": Eine großartige Ausstellung im Lenbachhaus

Von Sabine Reithmaier

Franz von Lenbach freut sich sicher. So gut ist er schon lange nicht mehr wahrgenommen worden. Die schwarze Sturmhaube, die die Büste des Hausherrn im Foyer ziert, sichert ihm maximale Aufmerksamkeit. Konzeptkünstler Daniel Knorr hat seine in einer Fotoserie dokumentierte "Stolen History" kurzerhand auf Figuren im Lenbachhaus ausgeweitet; daher trifft man in Haus und Garten auf vermummte Köpfe. Schon zigmal ist man an ihnen vorbeigeschlendert. Doch jetzt fragt man sich, wer dahintersteckt. Anders als 2008 in Kopenhagen, als er Standbilder von Königen, Bischöfen und Generälen vermummte, muss Knorr hier die Polizei nicht fürchten. Seine Aktion gehört zu der großartigen Ausstellung "Mentales Gelb. Sonnenhöchststand", in der das Lenbachhaus Kunstwerke aus der KiCo-Stiftung präsentiert und damit einen ganz speziellen Blick auf die Kunstströmungen der Gegenwart wirft.

"Die Stiftung hat für unser Haus den gleichen Stellenwert wie die Schenkung der Blauer-Reiter-Werke durch Gabriele Münter", erklärte Museumsdirektor Matthias Mühling gleich eingangs. Und aufgrund des eklatanten Gegensatzes zwischen seinem Einkaufsetat und den Kunstmarktpreisen besteht kein Zweifel an der Wichtigkeit dieser Förderung. Kuratiert hat die Schau Sammlungsleiterin Eva Huttenlauch, zehn Künstler haben "ihren" Raum gleich selbst eingerichtet.

Karla Black benötigte zwei Tage, um ihre Installation aufzubauen, Thea Djordjadze nur zwei Stunden. Die Räume, die sie entwickelten, könnten unterschiedlicher nicht sein: Elegant wuchert die Papier- und Zellophanskulptur der schottischen Bildhauerin aus einer Gipspulverpfütze heraus, schwebt in zarten Pastelltönen im Raum, verlockt zum Anfassen - letzteres zu verhindern ist bestimmt eine Herausforderung für die armen Aufsichten. Der Raum der georgischen Künstlerin wirkt dagegen eher kühl, streng, ein Durchgang aus glänzenden Edelstahlplatten, den zu durchschreiten man zögert. Mit gelbbraunem Pigmentstaub bedeckte Plexiglasscheiben unterstreichen das Fragmentarische der Einrichtung. Schon toll, mit welch neugieriger Offenheit Doris Keller-Riemer und Hans-Gerd Riemer - das Bonner Ehepaar, das hinter der KiCo-Stiftung steckt - sammeln und wie es ihnen gelingt, immer wieder neue Anknüpfungspunkte zu entdecken, die auf ihre ursprüngliche Intention verweisen.

In den ersten Jahren begeisterten sie sich für Maler, die Licht und Farbe in Malerei übersetzten. Ein Thema, das sie fasziniert, seit sie auf einer Klassenfahrt kurz vor dem Abitur in der Londoner Tate Gallery das Turnersche Spätwerk erlebt hatten. Erst kauften sie Bilder für ihre Wohnräume, doch 1995 erwarben sie einen Jerry Zeniuk, der für ihre Wände zu groß war. Das war der Beginn ihrer Sammlertätigkeit, gleichzeitig auch der ihrer Zusammenarbeit mit öffentlichen Häusern; sie kaufen bis heute nur in Absprache mit diesen Einrichtungen.

Bald nach Zeniuk entdeckten sie Antonio Calderaras Gemälde und Marcia Hafifs monochrome Werke. Die US-amerikanische Malerin begann 1972, alle erdenklichen Farbsubstanzen und Techniken methodisch auf diversen Bildträgern auszutesten. Aber auch Rolf Rose, der seine gegenstandslosen Farbräume, aus vielen Schichten aufgebaut, ganz traditionell auf Holz malt. Aus jüngster Zeit stammen im Lenbachhaus die sechs grauen Arbeiten von Wade Guyton. Ebenfalls nahezu monochrom, aber nicht mehr gemalt, sondern mit einem Drucker fabriziert.

Zeit ist notwendig, um in den monochromen Werken Entdeckungen zu machen, das geht nicht schnell. Zeit braucht man auch, um Franz Ackermanns wandfüllendes Reise-Kaleidoskop zu erfassen, seine "Mental Maps", wie er die kleinen Aquarelle nennt, überhaupt wahrzunehmen. Genau genommen reicht es auch nicht, das Lenbachhaus zu besuchen, sondern man müsste noch ins Kunstmuseum Bonn, dort läuft die andere Hälfte der Doppelausstellung. Mit beiden Häusern arbeiten Doris Keller-Riemer und Hans-Gerd Riemer seit mehr als 20 Jahren zusammen. In Bonn wäre auch das titelgebende Werk zu sehen, Erwin Wurms "Mentales Gelb. Sonnenhöchststand", eine überdimensionierte Strickarbeit auf Keilrahmen, die leuchtend gelb die Intention der Sammler unterstreicht: Farbe und Licht, aber eben in einer ungeheuren Bandbreite.

Kooperation: Stolen History (Detail) von Daniel Knorr.

Stolen History (Detail) von Daniel Knorr.

(Foto: Daniel Knorr, VG Bild-Kunst, Bonn 2017)

Die Ausstellung zieht sich fast durch das ganze Haus. Die meisten Räume bespielt nur ein Künstler. Das erlaubt, sich mit unterschiedlichen Phasen eines Werks auseinanderzusetzen. Ein Beispiel dafür ist Katharina Grosse, die ihre Arbeiten - die Stiftung besitzt 32 davon - nahezu retrospektiv gemischt hat und daher ihre Entwicklung zwischen 2002 und 2017 nachvollziehbar macht. Mal abgesehen davon, dass es einfach Spaß macht, in den Farbwellen der Spritzpistolen-Spezialistin zu versinken und wenige Räume weiter vor Corinne Wasmuhts altmeisterlich gearbeiteten Bildern zu stehen. Sehr gelungen auch der Raum von Wolfgang Tillmanns und Isa Genzken, die seit langem befreundet sind und immer wieder zusammenarbeiten. Miteinander in Dialog gebracht sind auch die Arbeiten von Arnulf Rainer und Maria Lassnig, eine kleine Reminiszenz an deren Beziehung in den Sechzigerjahren. Lassnigs "Die Braut badet den Bräutigam" ist grandios und eines der sieben Bilder, die Hans-Gerd Riemer der österreichischen Malerin, die eigentlich nie etwas hergeben wollte, abrang. "Neben ihr kniend", wie er sich erinnert.

Abgesehen von Farbe und Licht ist ein anderer wichtiger Aspekt der Sammlung die Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte. Dafür stehen neben Daniel Knorr auch Thomas Demands auf Papiermodellen basierende Historienbilder, die binnen Sekunden Momente deutscher Geschichte ins Hirn rufen. Oder Erik van Lieshouts Videoinstallation, die sich mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigt. Es gäbe noch so viele weitere Künstler, so viele Positionen zu nennen. Inzwischen gehören mehr als 1000 Werke der 2009 gegründeten Stiftung, aus der sich das Kunstmuseum Bonn und das Lenbachhaus bedienen können. Wer sie sich alle zu Gemüte führen will, sollte sich den Katalog (Hirmer Verlag) leisten, ein wuchtiger Band mit goldgelbem Umschlag. Mit viel Farbe und Licht eben - was denn sonst.

Mentales Gelb. Sonnenhöchststand. Die Sammlung KiCo; Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33; bis 8. Oktober

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: